Sozialismus oder Barbarei! Ein Gespräch mit der Bunten Hilfe Marburg

Aufbauend auf unsere Broschüre „40 Jahre Gentrifizierung und Widerstand in Marburg“ veröffentlichen wir ein Interview mit der Bunten Hilfe Marburg. Die Bunte Hilfe Marburg hat sich Anfang 2022 nach 42 Jahren Antirepressionsarbeit aufgelöst. Um zumindest einen Bruchteil der Erfahrungen für nachkommende Generationen zugänglich zu machen drehte sich das Gespräch nicht nur um das Thema „Recht auf Stadt“. Wir sprachen mit Bernd auch über Antirepressionsarbeit, den Zustand der radikalen Linken damals und heute, sowie das Älter werden. Das Interview ist somit nicht nur für Menschen mit marburg Bezug interessant. Wir bedanken uns bei der Bunten Hilfe für 42 Jahre Antirepressionsarbeit und für das Gespräch! Und wir hoffen, dass ihr beim Lesen genauso viel Spaß habt wie wir beim Interview. Es bleibt, wie es ist: Sozialismus oder Barbarei!

Heute sitzen wir mit Bernd von der Bunten Hilfe zusammen, um über Repression, linksradikale Politik seit den 80ern, das Älterwerden und Kämpfe rund ums Thema „Recht auf Stadt“ zu sprechen. Danke, dass du dir die Zeit dafür genommen hast. Vielleicht fangen wir damit an, dass du dich kurz vorstellst?

Ich bin Bernd und bin seit 1977 in Marburg. Seitdem bin ich hier auch politisch aktiv. Wobei ich auch anmerken muss, dass ich in den letzten Jahrzehnten nicht mehr in politischen Gruppen aktiv war, sondern nur noch in der Bunten Hilfe. Ich selbst bin erst ein oder eineinhalb Jahre nach der Gründung dazugekommen.

Für viele überraschend hat sich die Bunte Hilfe in diesem Jahr nach 42 Jahren aufgelöst. Doch bevor wir näher auf die Beweggründe eurer Auflösung eingehen: Was war denn die Bunte Hilfe Marburg überhaupt und warum habt ihr euch gegründet?

Die Bunte Hilfe Marburg organisierte im Zuge der Auflösung eine kleine Ausstellung mit Fotos, Plakaten und Texten im Café am Grün

Um die Gründungsgeschichte der Bunten Hilfe zu verstehen müssen wir uns in die 1980er Jahre zurückversetzen. Die 80er waren unter anderem in Westdeutschland geprägt vom Aufleben militanter Kämpfe. In den 1970er Jahren gab es schon sogenannte Ermittlungsausschüsse. Der älteste war, soweit ich mich erinnern kann, der Berliner Ermittlungsausschuss. Die Aufgaben von Ermittlungsausschüssen damals wie heute ist die Begleitung von Demonstrationen, die Unterstützung von Festgenommenen und die Vermittlung solidarischer Anwält:innen. Vor allem waren die Kämpfe rund um die Startbahn West (1) im Frankfurter Stadtwald prägend. Auch dort gab es Ermittlungsausschüsse, um die Aktivist:innen zu unterstützen. Im Kontext der Kämpfe rund um die Startbahn West Bewegung hat sich die Gruppe „Bunte Hilfe“ gegründet, da es viel Repression gab.

Der Name „Bunte Hilfe“ wurde nicht zufällig gewählt, sondern ist verbunden mit dem Gedanken, dass man sich nicht einem spezifischen Spektrum zugehörig fühlt, sondern die Vielfältigkeit sozialer Bewegungen abbilden möchten. Nach diesem Vorbild hat sich auch in Marburg eine solche Struktur gegründet. Die Mitglieder der Gruppe kamen aus verschiedenen politischen Zusammenhängen. Die Idee war, dass aus den verschiedenen Bereichen eine Person als Teil der Bunten Hilfe delegiert wird, sodass für alle diese Zusammenhänge die Bunte Hilfe zur Verfügung stand. Die Bunte Hilfe war 42 Jahre lang eine kontinuierlich arbeitende Gruppe und sie war auch eine geschlossene Gruppe. Das bedeutet, dass niemand einfach so Teil der Struktur werden konnte. Der Grund hinter dieser Entscheidung waren Sicherheitsbedenken. Wir haben mit sensiblen Daten gearbeitet und es muss ein Vertrauensverhältnis existieren. Ansonsten können wir keine Antirepressionsarbeit leisten. Deshalb konnte man nicht einfach aus Interesse Bunte Hilfe Mitglied werden, sondern man wurde im Zweifel angesprochen, ob man Teil der Gruppe werden möchte.

In den 1970er Jahren gründeten sich schon Rote Hilfen. Warum wart ihr nie Teil davon?

Die historische Rote Hilfe gibts ja seit den 1920er Jahren. In den 70ern war es das maoistische Spektrum, dass die Rote Hilfe wiederbelebt hat und zwar vordergründig für ihre eigenen Leute. Genaueres kann ich euch abseits davon nicht erzählen, weil ja auch die maoistischen Organisationen sich gegenseitig gehasst haben. Ob es jetzt die KPD/ML(2) oder KPD/AO(3) war, weiß ich nicht mehr. Auch keine Ahnung, warum sich die Rote Hilfe als Verein organisiert hat. Ob es sich um eine Massenorientierungsangelegenheit handelt oder um eine Schutzmaßnahme? Kein Plan. Wir hatten damals als Bunte Hilfe überhaupt keinen Kontakt zu Rote Hilfe Gruppen. Erst später kam es ab und zu zu einer Zusammenarbeit. Es gab da aber nie einen Konflikt zwischen uns.

Was ist denn der Unterschied zwischen der Bunten und der Roten Hilfe?

Der Unterschied besteht darin, dass die Rote Hilfe ein Verein ist. Bei der Roten Hilfe kannst du Mitglied werden und einen Vereinsbeitrag zahlen. Deswegen ist es eher eine offene Struktur. Wir waren kein Verein und wie gesagt, man konnte nicht einfach Mitglied werden.

Der Ansatz einer geschlossenen Gruppe funktioniert doch nur, wenn es eine personelle Kontinuität gibt, oder?

Richtig. Die Bunte Hilfe hat ja von 1980 bis vor kurzem, also 2022, existiert. Das hat nur dadurch funktioniert, dass die Mitglieder jahrzehntelang dabei waren. Klar, es gab auch bei uns immer wieder Leute, die aufgehört haben. Weil man aus Marburg weggegangen ist, weil man überlastet war oder sich die Lebensperspektive verändert hat. Aber es gab zum Glück neue Leute aus verschiedenen Zusammenhängen, die wir dann angesprochen und für unsere Gruppe gewinnen konnten.

Vielleicht eine komische Frage, aber bekommen auch Antirepressionsstrukturen Repression ab?

Es gab 1980 das einzige Mal, und das war ein Versehen, dass die Polizei einen Raum gestürmt hat wo der Ermittlungsausschuss drin saß. Und da wurde der Mythos geboren, dass man ja selbst als Antirepressionsstruktur von Repression bedroht ist. Das ist Schwachsinn. Es gab keinen sichereren Platz in der ganzen Stadt als im EA (5) Büro. Was klar ist, ist: wenn wir EA machen, kann die Polizei mithören, um an Infos zu kommen. Aber nicht wegen uns, sondern wegen den Anderen, die es betrifft. Also wenn es irgendwann mal eine groß angelegte Repression gegen Antirepressionsstrukturen geben sollte, dann stehen wir weit hinten auf der Liste. Vorher bekommen andere Leute was ab.

Ihr habt als Gruppe seit 42 Jahren Antirepressionsarbeit gemacht. Was macht diese spezifische Form der politischen Arbeit eigentlich mit den Leuten?

Puh, naja. Die Frage hat unter anderem auch damit zu tun, warum wir aufgehört haben. Es gab nämlich zwei Gründe warum ich dafür war, aufzuhören. Einer davon ist, dass man nicht die Empathie verlieren darf. Wenn du junge Leute vor dir hast, die Repression zum ersten Mal erleben, aber du selbst hast das ganze schon vierzig Mal gehört und drei Mal erlebt, dann kann es passieren, dass du abstumpfst. Man muss aufpassen, dass sich daraus keine Arroganz bis Gleichgültigkeit einstellt. Das ist halt die Gefahr. Du kannst keine Antirepressionsarbeit machen, ohne Empathie gegenüber den Betroffenen. Doch auch Empathie kann mit der Zeit verloren gehen.

Das andere ist, wenn man selbst nicht mehr zu den Aktivist:innen gehört, dass man gewissermaßen die Kompetenz verliert. Denn es ändert sich halt ständig was. Eine sehr starke Veränderung der letzten Jahrzehnte waren Massenaktionen durchzuführen, ohne die Personalien mitzunehmen oder bei Festnahmen abzugeben. Vor dreißig Jahren war allen EA Gruppen klar, dass es wenig sinnvoll ist, den Personalausweis nicht mitzunehmen. Und inzwischen gab es immer wieder Erfolge im Kontext von Klimaprotesten wie bei Ende Gelände oder im Dannenröder Forst. Die konnten damit Repression abwenden und ich als alter Sack musste dann umdenken. Aber sonst war die Arbeit immer sehr ähnlich und auch hier verbirgt sich die Gefahr, dass man das Engagement verliert, weil es immer dasselbe ist. Man hat das Gefühl es ändert sich nichts. Das Alter der Leute, die zu uns kommen ändert sich nicht, aber man selbst wird immer älter. Und auch die Repression an sich ändert sich nicht und wenn alles zu einer Routine wird, leidet auch das Engagement.

Anna und Arthur Halten’s Maul!

Plakat der Kampagne „Anna und Arthur Halten’s Maul“

Welche Repression in all der Zeit war die umfangreichste, die dir begegnet ist?

Das war die Startbahn West. Eindeutig. Die Repression hat tatsächlich damals dazu geführt, dass ein linksradikaler Zusammenhang einer ganzen Region abgeräumt wurde. Das war mit Abstand das Härteste was ich erlebt habe.

Könntest du erklären, worum es sich bei der Startbahn West gehandelt hat?

Der Plan war, einen ganzen Wald zu roden für eine drei Kilometer lange Startbahn für den Flughafen in Frankfurt. Dagegen regte sich schon früh Widerstand, der dann spätestens ab 1980 in Demonstrationen mit zehntausenden von Menschen mit dem Bau von Hüttendörfern führte. Das Land Hessen hat mit Polizeigewalt und Repression geantwortet. Aus der Niederlage heraus hat sich aus dem gesamten Bundesland Hessen eine Art militante Truppe gebildet, die Woche für Woche bei den Sonntagsspaziergängen im Wald militant gegen die Baustelle und später gegen die Grenzmauer zur Startbahn vorgegangen sind. Dadurch hat die Bewegung massiv an Kampfstärke gewonnen. Die haben Leute wie zum Beispiel Festgenommene befreit und die Bullen zurückgedrängt. Aber vielen aus der Bewegung ging es vielmehr um den Wald und der Verteidigung der Natur und weniger um eine Kritik am Kapitalismus.

Proteste beim Startbahn West / November 1981

Was wahrscheinlich nur noch wenige Menschen wissen: Im Kontext von Startbahn West entstand auch die bekannte Kampagne mit dem Slogan „Anna und Arthur Halten‘s Maul“.

Das stimmt. Bei einer Demonstration auf dem Gelände vor der Startbahn hat einer der Demonstranten zwei Polizisten durch Schüsse getötet und mehrere verletzt. Dies war der Grund für eine Repressionswelle, die schließlich zum Ende der Startbahnbewegung und zum Beginn der Kampagne „Anna und Arthur Halten’s Maul“ geführt hatte. Nach meiner Erinnerung lehnte die autonome Szene die Aktion mit den Schüssen mit großer Mehrheit ab. Zurecht meiner Meinung nach. Aufgrund der massiven Aussagen, die im Zusammenhang mit den Ermittlungen seitens der Startbahnaktivist:innen gemacht wurden, wurde eine Kampagne vom Ermittlungsauschüssen der Startbahnbewegung gestartet. Es ging darum, dass keine Aussage die Beste ist. Eben, dass „Anna und Arthur das Maul halten sollen“.

Die 1980er Jahre waren von unterschiedlichen linken Bewegungen geprägt. Wie die angesprochenen Startbahn West Proteste, Anti-AKW Bewegungen, wie in Gorleben oder die Kämpfe rund um Wackersdorf. Nur um ein paar bekannte Beispiele zu nennen. Diese Kämpfe wurden teilweise auch militant geführt. Die Antwort des Staates waren regelrechte Repressionswellen. Könntest du diese Zeit mit der heutigen in Bezug auf die linke Bewegung und der folgenden Repression vergleichen?

Die Frage zu beantworten, ob es heute mehr oder weniger schlimm ist, ist unglaublich schwer. Aber es haben sich die Felder verlagert, so würde ich es einschätzen. Also in Marburg selbst gab es ja in den 80er Jahren einige Ereignisse, die natürlich bestimmte Repressionen hervorgerufen haben. Aber die gab es in anderer Form auch später.

Es gab zwei Umfelder, die die 80er von allen anderen darauf folgenden Jahrzehnten unterscheidet. Eines davon war der Kalte Krieg. Die geopolitische Lage war halt eine andere. Es gab eine klare antiimperialistische Orientierung seitens der Linken. Die linksradikalen Kräfte in Marburg haben sich auf dem Weg zu einer revolutionären Bewegung verstanden. Ich betone dabei, dass sie sich so verstanden haben. Und es gab eine Guerilla, also bewaffnete Gruppen, wie die RAF, Rote Zora oder Revolutionäre Zellen. Das führte dazu, dass eine Repression auf einer anderen Ebene gewirkt hat. Das ist vielleicht das eine. Ich will damit nicht sagen, dass die radikale Linke damals mehr mit 129a (6) konfrontiert wurde als 40 Jahre später. Aber dass sogenannte „terroristische Umfeld“, so wurde es im Polizeijargon genutzt, existierte in dieser Zeit, weil es bewaffnete Gruppen gab und genau diese Zusammenhänge einen bewussteren Umgang mit Repression pflegten.

Eine andere Sache, die ich zumindest in den letzten 10 Jahren vor Ort bemerke, ist, dass es damals mehr Regelverstöße gab als heute. Ja, auch heute gibt es noch klandestine Aktionen. Doch nun haben wir einen marburger Oberbürgermeister, der sich selbst in der Nähe der linken Bewegung sieht und bei Demonstrationen auftritt und Reden hält. Rein auf der Ebene von Demonstrationen gesprochen führt das dazu, dass sich die Polizei auf der einen Seite zurückhält und auf der anderen Seite werden dadurch auch kleinere Regelverstöße weniger begangen. Als Beispiel: Es gibt wieder eine Antifa Demonstration gegen die Burschenschaften. Der Wille, Polizeisperrungen zu durchbrechen, um zu den Villen zu gelangen wird automatisch abgesenkt, wenn der Oberbürgermeister dabei ist. Das hat sich in Marburg konkret verändert.

Um noch eine kleine Anekdote von früher zu erzählen: In den 80er Jahren hat es einen Überfall von NATO Staaten auf den Staat Libyen gegeben. Das wurde als „militärische Sonderaktion“ verkauft, ich sag das jetzt mal auch sarkastisch. Und daraufhin gab es eine Demo in Marburg, auf der ein Polizist entwaffnet wurde. Das ist im Vergleich eine andere Qualität. Aber, auch das muss ich betonen, Marburg war im Vergleich immer etwas friedlicher. Es gab ja in Marburg bis heute nur zwei oder drei Mal einen Einsatz, in dem gezielt Schlagstöcke eingesetzt wurden.

Wenn wir schon bei Marburg sind. Was hat die marburger Szene in den 80er Jahren eigentlich bewegt?

Der Fokus der linken Szene in Marburg war damals nicht wirklich lokal, sondern bundesweit. In den 70er Jahren hat man sich nur um Hochschulpolitik gekümmert, wobei man die Arbeit auch als Vehikel genutzt hat. Es gab die Grün-Bunt-Alternative Liste (GBAL), eine links-grüne studentische Organisation, die den AStA gestellt und linksradikale Leute in die Hochschulpolitik gebracht hat. Dadurch konnten sie Infrastruktur für die linksradikale Politik zur Verfügung stellen. Die Politik war aber nicht stadtbezogen. Es war egal, ob man dafür in Marburg war.

Außer es gibt Ereignisse, wie der Besuch des hessischen Ministerpräsidenten Holger Börner. Der war, sagen wir es mal so, nicht sehr beliebt bei den Linken, weil er 1982 den Aktivist:innen der Startbahn West Bewegung den Schlag mit der Dachlatte androhte (7). Der hat das Schlossmuseum am Landgrafenschloss eingeweiht. Das wurde genutzt, um heftig zu protestieren. Unter anderem mit Blockaden, um zu verhindern, dass er überhaupt ins Schloss kann.

Der meiner Meinung nach einzige Bereich, der sich aber seit den 80er Jahren durchzieht, ist die Wohnungspolitik. Da hat die radikale Linke schon immer interveniert. Meist durch Häuserkampf. Das muss man aber auch immer im Zuge der bundesweiten Entwicklung betrachten. Seit 1979 gab es bundesweit eine Hausbesetzer:innenbewegung. In Marburg geschahen die Kämpfe in Wellen, also nicht durchgängig. So gesehen hat sich in dem Bereich nichts geändert, es hat sich nur das Umfeld geändert.

Ups, das Haus wurde besetzt… Über die Zeit der Hausbesetzungen in Marburg

Hausbesetzung am 08 Juni 1982 am Richardplatz 8 in Berlin-Neuköln / Foto von Michael Kipp und zu finden beim umbruch-bildarchiv.de

Erinnerst du dich an die Zeit der Hausbesetzungen ab den 80er Jahren in Marburg?

Ja, ich kann ja ein paar nennen, die mir einfallen.

Früher gab es Hochschulorganisationen, die der DKP nahe standen, das waren der MSB (8) und SHB (9). Die haben damals Ende der 1970er Jahre mal in Weidenhausen ein Haus besetzt, um symbolisch auf die Wohnungsnot der Studierenden hinzuweisen. Die Besetzung war nur für ein paar Stunden und anschließend sind die Besetzer:innen auch freiwillig rausgegangen.

Dann gab es ein Haus in der Untergasse, was abgerissen werden sollte. Das wurde auch besetzt, aber mit dem Ansatz, dass die Besetzer:innen nicht einfach rausgehen. Die Leute wurden auch geräumt, dass ging ruck zuck innerhalb von einem Tag. Dann wurde das Haus auch abgerissen.

Eine kurze Zeit später kam es zu mehreren Besetzungen. Das war im Rahmen der Besetzungsphase in Berlin, wo bundesweit hunderte, wenn nicht gar mehr, Häuser besetzt wurden. Die Idee dahinter war die Besetzung mit dem Gedanken der Instandsetzung. Das war eine neue Qualität. Im Zuge dessen wurden auch die drei Objekte in Marburg besetzt. Eins war die Wilhelmstraße 15. Die Diakonie, denen das Haus gehörte, hat nach einer Woche beten die Besetzer:innen dann räumen lassen.

Dann gab es noch den Marbacher Weg 32/33, der wurde auch besetzt. Die Besetzung war als Wohnprojekt angedacht und konnte sich auch recht lange halten, weil sie sich legalisiert hatten. Die haben also Verhandlungen mit dem Eigentümer, dem Land Hessen, geführt. Das Haus wurde aber dann vom Land an einen neuen Privatbesitzer verkauft, der die Bewohner:innen dann räumen ließ.

Ausschnitt aus der Titelseite der taz vom 05. Dezember 1980

Es gab noch das alte Gefängnis in Marburg, eine gigantische Fläche mit einem großen Gebäude. Das Justizministerium hat die Fläche mit dem Objekt der Universität überlassen und die Uni hat es als Lagerraum genutzt. Die Hoffnung hinter der Besetzung war, dass man daraus ein größeres kulturelles Zentrum aufbauen könnte. Das hat sich aber leider nicht bewahrheitet. Der Grund war, dass es von der Bausubstanz nicht möglich war, das Gebäude umzubauen. Aus dem Ganzen ist schlussendlich ein Wohnprojekt entstanden. Die Besetzung des Knasts hat sechs bis sieben Wochen gedauert und dann hat der letzte Besetzer die Tür abgeschlossen (lachen).

Warte, es kam noch nicht mal zu einer Räumung?

Nein, es wurde nicht geräumt. Nach den sechs bis sieben Wochen Besetzung wurde mit der Uni verhandelt einige Räume zu einer geschlossenen Wohnung umzubauen, und das Wohnverhältnis mit einem Nutzungsvertrag zu legalisieren. Die wollten nämlich auch, dass die Besetzer:innen das Gebäude instandsetzen und ein symbolischer Mietpreis abgeschlossen wird. Es sollte also, wie die Besetzung des Marbacher Wegs, legalisiert werden.

Flugblatt der Hausbesetzer:innen zum Ende der Besetzung 1981

Auf dem Flugblatt steht folgendes geschrieben: Nu is’et vorbei mit der Knastbesetzerei!

In der 7-wöchigen Besetzungszeit, die aufreibend und anstrengend war, weil wir in drei Räumen zeitweise mit 30 bis 40 Leuten zusammengequetscht leben mußten, die ohne Strom und Wasser – die Uni hatte uns am 4. Tag den Strom abgestellt – viel Energie gekostet hatte, traten durch die ganzen Umstände Probleme im Besetzerkreis auf, die dazu führten, daß das ganze Projekt zeitweise kurz vor der Spaltung stand und letzendlich uns keinen anderen Weg offenließ, aus auf das Mietvertragsangebot von der Uni einzugehen. 6 Zimmer – mehr nicht. Diese Ausbeute schien einigen in Anbetracht des Aufwandes zu dürftig, dennoch einigten wir uns nach langen Strategiediskussionen darauf, die 6 Zimmer anzumieten, um wenigstens für 6 Leute Wohnraum zu schaffen, da wir an Wohnen während der Besetzungszeit nicht denken konnten. Hinzu kam, daß die Uni die Verhandlungen über weitere Räume im Knast abgebrochen hat, und daß das Angebot über 6 Zimmer nur bei einer Räumung noch bestand. In dieser Situation beschlossen wir, am Montag, den 26.1.1981 den Knast zu verlassen, nachdem die Uni am Freitag den 23.01 die Bereitschaft erklärte, mit uns einen Mietvertrag zu schließen. Was wollen wir noch erreichen? Wir sehen in der freiwilligen Räumung des Knasts nur einen vorläufigen Rückzug, durch den wir den Willen zeigen, mit der Uni einen Mietvertrag zu schließen.

Aber warum ist dann daraus nichts geworden?

Die WG im Knast bestand bis 1999. In dieser Zeit wurde das Gebäude und das Gelände vom Land Hessen an einen Investor verkauft, der in den ehemaligen Knasthöfen drei Häuser gebaut hatte und das Knastgebäude saniert und anschließend alles als Eigentumsswohnungen verkaufte.

Hausbesetzung der Cappeler Straße 8 im August 1984

Zurück zu den besetzten Häusern in den frühen 1980er Jahren: Nach der Besetzung des Knastes gab es in der Cappeler Straße, also heute gegenüber dem Chevy, eine Besetzung einer alten Brauerei oder eines anderen Fabrikgebäudes. Das spannende war da, dass das Leute aus dem Waldtal besetzt haben. Das waren keine Studierenden, sondern ein sehr heterogener Haufen. Die wurden direkt nach kurzer Zeit geräumt. Es gab Unterstützung von den Studierenden, oder besser gesagt von der akademischen linken Szene. Danach gab es eine lange Zeit keine Hausbesetzungen mehr in Marburg. Und wenn es mal eine gab, wurden alle geräumt.

„Hände Weg vom Biegeneck“ und „Jetzt wird zurückgebissen“

Protest gegen den Abriss des Biegenecks auf dem Marktplatz, 1991

Die wahrscheinlich bekanntesten von allen Kämpfen gegen Gentrifizierung in Marburg sind die Kämpfe um das Biegeneck in den 1990er Jahren …

Genau, doch diesmal war es anders. Weil jetzt hat sich die radikale Linke um Stadtpolitik gekümmert und nicht nur um sich selbst. In dieser Zeit gab es diverse politische Hausprojekte und Wohngemeinschaften. Es war Zufall, aber es gab zwei Wohngemeinschaften am Biegeneck, wo Leute aus der autonomen Szene gewohnt haben. Erst dadurch war die Kristallisation eines Widerstands gegeben. Die Stadt wollte das Viertel ohne großen Widerstand gentrifizieren, aber hat dann ins Wespennest gestochen. Alle Projekte, die es damals gab, also Biegeneck, Marbacher Weg, der Knast und so weiter haben sich dann als G.M.B.H., also unter einem Bündnis namens „Gegen marburger Bau- und Hotelspekulanten“ zusammengeschlossen. Da ist dann echt zwei bis drei Jahre lang was passiert. Das ist meiner Erinnerung nach das erste Mal seitdem ich in Marburg bin, wo sich die linke Szene jenseits der DKP um Stadtpolitik gekümmert hat.

November oder Dezember 1990 erschien die Broschüre „G.M.B.H.: Zusammenschluss bedrohter Wohn- und Kulturobjekte in Marburg: Kampf der Vernichtung. Marburger Wohn- und Kulturprojekte. Über Wohnungspolitik und Häuserkampf.“

Könntest du ausführen, worum es sich bei den Kämpfen gehandelt hat und was passiert ist?

Die Pläne bestanden von Seiten der Stadt, das Biegeneck Viertel umzubauen und dafür Gebäude zu plätten. Dafür mussten die Menschen, die dort wohnten oder arbeiteten, verdrängt werden. Die Stadt bot den Leuten Ersatzwohnraum an und einige einigten sich auch darauf. Aber gerade diese zwei WGs mit den Autonomen, die haben von Anfang an deutlich gemacht, dass sie nicht rausgehen werden. Die Autonomen haben sogar Geld angeboten bekommen und das nicht wenig, damit sie „freiwillig“ rausgehen. Aber das haben die ausgeschlagen. Chapeau, die haben sich nicht kaufen lassen. Die G.M.B.H. hat sich parallel um Bündnispartner:innen in der Zivilgesellschaft gekümmert. Dann kamen die Künstler:innen dazu. Es gab auf dem Gelände nicht nur Wohnbereiche und Kleingewerbe, sondern es gab auch eine große Fabrikhalle.

Das Biegeneck vor dem Abriss 1991

Damals war es das Stocksche Zentrifugenwerk. Diese Halle war architektonisch toll, die hatte oben so schöne Dachfenster und es war alles groß. Dort haben sich die Künstler:innen dann ausgetobt. Die Halle wurde besetzt, also um ehrlich zu sein ist man da einfach reingegangen, denn sie stand leer. Die Halle wurde als Begegnungsstätte genutzt. Da gab es Ausstellungen, Essen und Zusammenkünfte. Es ging darum, zu zeigen, dass es nicht nur um fünf Wohnungen, sondern um ein gemeinschaftliches Leben im Kleinstviertel geht. Gleichzeitig wurden Alternativvorschläge entwickelt, unter anderem mit Expert:innen von Universitäten, um das Biegeneck zu retten.

Wie ging es weiter?

Das ganze ist schon zu einem frühen Zeitpunkt des Widerstandes gegen die Abrisse eskaliert. Der damalige Bürgermeister Hanno Drechsler spielte eine große Rolle dabei. Der war in den 60er Jahren Abendroth-Schüler und hat sich politisch unter anderem für die Bewahrung der Bausubstanz in Marburg engagiert. Dem Drechsler ist im Übrigen zu verdanken, dass die Oberstadt so ist, wie sie ist. Unter dem gab es das Motto „Modernisieren, aber Fassade erhalten“. Es gibt einige Fachwerkhäuser in der Oberstadt, die innen entkernt sind, also modernisiert wurden, ohne dass die Fassade zerstört wurde. Das war die Politik des Bürgermeisters Drechslers seit seiner Wahl 1970. Also ganz im Gegensatz zu anderen Städten, wo die Häuser abgerissen wurden. Naja, es gab dann auf einmal einen Wandel bei ihm. Der hat sich dann gefühlt wie so ein feudaler Kleinherr, wie so ein Graf, weil der schon so lange im Amt war.

Es gab im Zuge der Biegeneck-Proteste eine Aktion, wo so 30 Leute mit einem gigantisch großen Hund den Bürgermeister in seinem Büro besucht haben. Das war der Startschuss der Eskalation. Er war sehr wütend und wollte kein Gespräch führen. Alles war voller Tumult, der eine hat eine vorbereitete Rede gehalten und dann hat der Hund den Bürgermeister gebissen. Ab dann waren wir die Hauptfeinde des Bürgermeisters. Er sagte ja auch dann „Ab heute wird zurückgebissen!“. Alle wurden wegen der Aktion mit Hausfriedensbruch belangt. Es gab im Nachgang Strafbefehle, doch nur einer wurde bezahlt und damit vollstreckt, während später die anderen fallengelassen wurden.

Besetzung des Schaafschen Pavillons am 22. November 1991

Dann wurden die Gebäude nach und nach abgerissen. Bei jedem Abriss gab es großen Protest dagegen. Zwischenzeitlich wurde das Gebäude am alten Eichamt besetzt. Es wurde aber so besetzt, dass niemand mehr rein oder rauskam. Die Türen waren vernagelt und es gab drinnen Barrikaden. Es wurde also verteidigt, wenn auch friedlich und nicht militant. Möglichst aber so, dass es der Polizei schwer fällt, zu räumen. Die Räumung fand nach mehreren Stunden trotzdem statt und für die Besetzer:innen war das Ganze heftig. Die wurden rausgeschleift. Daraufhin wurde gegen die Räumung demonstriert und das Dach von dem ehemaligen Schreibwarenladen besetzt. Die wurden dann von der Polizei runtergeholt. Davor standen die 200 solidarischen Demonstrant:innen und denen gegenüber die Polizei mit Hunden, die die Demoteilnehmer:innen weggebissen haben. Aber wenn man das im Vergleich zu anderen Städten betrachtet, blieb es im Rahmen. Es gab keine Schwerverletzten. Hundebisse sind schon heftig, das will ich gar nicht runterspielen. Aber es war halt nicht so wie in Berlin. Es gab auch keine Gegenwehr, wie in Berlin mit militanten Straßenblockaden und Schlachten. Aber für marburger Verhältnisse war das Ganze schon eine Eskalationsstufe höher als sonst.

Die Partei „Bündnis 90/ Die Grünen“ haben eine wichtige Rolle bei der Gentrifizierung des Biegenecks gespielt, oder?

Ja. Unser Hauptfeind waren zu dem Zeitpunkt nicht der Bürgermeister, sondern die Grünen, die in der Stadtregierung saßen. Diese Gentrifizierung des Biegenecks mussten die dann politisch rechtfertigen. Franz Kahle, der damalige Chef der Grünen in Marburg, der selbst in der GBAL war und den Knast mitbesetzt hat, der saß bei einer Veranstaltung im alten KFZ in der Schulstraße und hat dann die Politik der Stadt gerechtfertigt und dann flogen halt Eier oder Tomaten auf ihn. Das war der Ausdruck der Wut darüber, dass die Grünen sich gegen die linke Szene positionierte.

Ihr, also die radikale Linke von damals, habt es mit den Protesten nach Erzählungen auch geschafft, einen Teil der Bevölkerung auf eure Seite zu ziehen.

Der letzte Hausabriss am Biegeneck Viertel mit dem Graffiti-Spruch „Alles wird gut“

Ja, aber nur einen Teil. Das hat sich jetzt nicht in Wahlergebnissen widergespiegelt. Marburg war seit den 80er Jahren eine grün-rote Stadt, bis auf ein paar Jahre, in denen die CDU regiert hat. Auf jeden Fall ist die damalige Koalition kaputt gegangen. Ob das am Biegeneck lag oder ob die Proteste nur ein Faktor von vielen waren, das kann ich nicht mehr beurteilen. Aber ohne die radikale Linke, wie so oft in der Stadt, hätte es keinen Protest gegeben. Klar, das Ding wurde gebaut und das Kleinstviertel dafür plattgemacht, aber ich werte es als Erfolg, dass so groß und breit dagegen mobilisiert wurde.

Aber wie war denn die Stimmung der radikalen Linken danach? Hatten die meisten nicht eher das Gefühl des Scheiterns und des Verlusts?

Ja, aber da kam viel zusammen. Im Grunde genommen war das Biegeneck noch etwas aus der alten Zeit und ein Überbleibsel der linksradikalen Bewegung der 1980er Jahre. Gleichzeitig hat sich die Welt verändert. Nämlich mit dem Niedergang der Sowjetunion. Viele linke, vor allem aus dem reformistischen Spektrum der DKP, hatten ganz große Probleme. Aber auch wir, also die, die sich der radikalen Linken zugeordnet haben, haben es gespürt. Denn alle Projekte schienen gescheitert. Meine Affinität zur Sowjetunion war strategischer Natur. Durch die Existenz der Sowjetunion hatten viele nationale Befreiungsbewegungen in Afrika und im Trikont einen taktischen Vorteil bekommen. Sowas, wie in Nicaragua oder Kuba wäre ohne die Existenz der Sowjetunion gar nicht möglich gewesen. Die imperialistische Seite hat nun triumphiert. Unter diesem Einfluss gab es eine Depression innerhalb der Linken. Die RAF ist gescheitert, die DKP ist gescheitert, die Sowjetunion gibts nicht mehr und so weiter und so fort. Linke Themen waren weg und die Kritik am Kapitalismus auch. Was aber immer geblieben ist, als wäre nichts passiert, ist Antifa und ökologische Themen, wie der Kampf um Gorleben. Die haben unter dieser neuen Weltordnung nicht gelitten.

Und dann kam natürlich ein paar Jahre später die interne Spaltung über die Antideutschen dazu. Mit dem Ende der Sowjetunion und schlussendlich auch der DDR befürchteten wir, dass der deutsche Imperialismus aus den Ruinen aufersteht. Im Zuge der veränderten internationalen Lage haben wir in meiner autonomen Kleingruppe uns grundsätzliche Gedanken über linksradikale Politik gemacht und quasi unsere letzten 10 Jahre ausgewertet. Das Ergebnis war nüchtern: es schien auf der Hand zu liegen, dass alle linken Projekte scheiterten.

Das hört sich deprimierend an.

Alle haben auf irgendeiner Art und Weise verloren. Das war eine Phase der Reaktion und der neoliberalen Hegemonie. Die Zunahme der faschistischen Bewegungen in Ost- und Westdeutschland führten aber dazu, dass Antifa notwendig ist und man sich damit hauptsächlich auseinandersetzen musste. Rostock-Lichtenhagen, um nur ein Beispiel zu nennen.

„Repression soll deinen Aktivismus nicht definieren!“

Werdet Mitglied bei der Roten Hilfe!

Repression fängt nicht erst mit dem Schlagstock, der Polizei vor deiner Tür oder einem Brief von den Bullen an, sondern im Kopf. Was würdest du politisch aktiven Leuten empfehlen, wie man mit der eigenen Angst vor Repression umgeht?

Erstmal, das ist richtig was ihr sagt. Ich gehe mal ein paar Schritte dafür zurück. Politische Sozialisierung darf nie mit einer Repression beginnen.

Um was von mir persönlich zu erzählen: Ich bin im kleinbürgerlichen Milieu groß geworden und ich komme aus einer Gegend mit viel Natur. Als junger Mensch hat mich insbesondere die Anti-Atomkraftwerk Bewegung interessiert. Ich habe mich also nicht sozialisiert wie Menschen aus Arbeiter:innenfamilien. Da ich auch katholisch erzogen wurde hatte ich ein Bild vor Augen, von dem, was meiner Meinung nach gerecht ist. Mit diesem Hintergrund habe ich angefangen, mich politisch zu engagieren.

Meine erste Erfahrung mit politischer Repression war 1979, als das politische System Irans auf der Kippe stand. In Frankfurt gab es einen linksradikalen Studierendenverband der iranischen Opposition, der hieß CISNU (10). Und diese Gruppe hat gemeinsam mit Sponti-Gruppen mehrere Demonstrationen gegen das Schah Regime organisiert. Das Ziel am besagten Tag war das US-Amerikanische Konsulat in Bockenheim anzugreifen. Das hatte ich nicht gewusst. An der Demo waren zehn bis fünfzehn Tausend Leute beteiligt. Wir kamen zu einer Kreuzung, wo die Polizei schon alles abgesperrt hatte. Da gab es richtigen Straßenkampf. Ich bin gerannt und gerannt, denn ich hatte unheimlich viel Angst. Ich habe keinen Schlagstock abbekommen und auch kein Verfahren. Aber trotzdem habe ich Repression erlebt und dass von null auf hundert. Was mich eingeschüchtert hat, war im Hinterhof zu stehen und man hört die Stiefel rennen. Die Stiefel rennen, der Wasserwerfer hört plötzlich auf und fängt an in die Einfahrten zu spritzen und wir stehen an der Wand. Es war Angst, pure Angst. Ich bin am Tag nach Hause gefahren und habe mit meiner Mutter telefoniert und mich empört über diese unverschämte Polizei, denn ich bin doch im Recht! Wieso darf man mir eine reinhauen? Ich will doch nur eine bessere Welt!

Was ich damit sagen will, ist, die Repression greift nicht oder weniger, wenn man überzeugt ist von dem, was man tut. Deshalb sollte man sich nicht mit oder über die Repression politisieren. Du musst die Repression begreifen als etwas, was dich von deinem eigenen Weg abbringen soll. Und wenn der Weg gefestigt ist, trifft dich die Repression auch nicht mehr so hart. Das heißt nicht, dass es kein Reizgas, keinen Schlagstock oder Gefängnis gibt. Ein Ziel der Repression ist schlussendlich die Einschüchterung, damit du aufhörst zu kämpfen. Und deshalb rate ich allen politischen Aktivist:innen sich über das eigene politische Engagement klar zu sein. Die Repression soll deinen Aktivismus nicht definieren! Aber man muss sich mit Repression auseinandersetzen, damit sie nicht überraschend kommt, wie mir das passiert ist 1979.

Seit eurer Gründung gab es auch einen massiven technologischen Wandel. Internet, Computer, Smartphones, Social Media etc. Wir leben in einer digitalisierten Welt, die dadurch auch Gefahren birgt. Es gibt deswegen den Spruch „Dein Smartphone ist eine wandelnde Wanze“ und es gibt auch Streits zwischen älteren und jüngeren Aktivist:innen, dass diese nicht mehr auf Sicherheit achten würden. Wie wird das Thema in Antirepressionsstrukturen diskutiert und was ist deine Meinung dazu?

Das ist richtig. Im Falle des Smartphones weniger als Abhörinstrument, eher als Bewegungsprofilinstrument. Wenn du das Handy bei dir hast und du regelmäßig auf Demos gehst, dann können Sicherheitsbehörden deine Daten auslesen. Das wurde auch immer wieder gemacht.

Als Beispiel: Bei den Antifa Demonstrationen in Dresden gegen die geschichtsrevisionistischen Aufmärsche der Nazis. Bei den heftigeren Blockaden wurde mit dem IMSI Catcher ausgelesen, wer denn alles bei den Blockaden beteiligt war. Das ist eine große Gefahr und kann genutzt werden für weitere Repressionen. Die zweite Gefahr steckt in der Digitalisierung selbst. Alles was du in sozialen Medien verbreitest, kann von der Polizei gegen dich verwendet werden. Das gilt auch für Fotos von Demonstrationen, die dann ins Internet gestellt werden. Früher haben die Leute vielleicht mal ein Foto gemacht und in ein Fotoalbum gesteckt. Aber im Internet?! Das sind Beweismittel gegen dich selbst! Damals gab es den Ansatz, dass die Demoleitung auch Fotograf:innen stellt und ansonsten nicht fotografiert wird. Deswegen: Bitte nicht fotografieren! Das ist genauso ein vergebliches Bemühen wie das Alkohol- und Drogenverbot bei politischen Aktionen.

Das hat sich massiv in den letzten Jahrzehnten verändert. Es gab immer wieder Ansätze und Kampagnen, das Bewusstsein über die Gefahr zu schärfen, ich kann euch aber nicht sagen, ob das was gebracht hat.

Nimmt die Repression deiner Meinung nach zu? Die radikale Linke hat bundesweit seit 2017 mehrere Repressionswellen abbekommen. Ein paar Stichpunkte dazu: G20, Hambacher Forst, Dannenröder Wald, Antifa-Ost Verfahren rund um Lina. Oder auch damit einhergehend die Verschärfungen der Polizeigesetzgebungen in den unterschiedlichen Bundesländern. Was bedeutet das für eine radikale Linke und wie ist deine Sicht darauf?

Free Lina! Alle weiteren Infos rund um den Prozess findet ihr unter https://www.soli-antifa-ost.org/

Das sind mehrere Sachen, die ich trennen würde. Auf der einen Seite hat sich nichts verändert, aber auf der anderen Seite ändert es sich schon. Seit 1949 gibt es eine ewige Verschärfung der Sicherheitsgesetze. Diese findet in Wellen statt, aber es gibt nie eine Phase, wo was zurückgenommen wurde. Es sei denn, das Bundesverfassungsgericht wirft den jeweiligen Bundesregierungen ihre verabschiedeten Gesetzesentwürfe vor die Füße und sagt, dass diese reformiert werden müssen. Die Verschärfung der Polizeigesetzgebungen findet seit Jahren statt, aber auch hier gibt es Unterschiede je nach Bundesland. Bei der letzten Änderung der Sicherheitsgesetze haben die Geheimdienste in Hessen mehr Befugnisse bekommen rumzuschnüffeln, während in Bayern die Präventivhaft seitdem existiert. Das andere ist die Qualität der Repression.

Dass es mehr 129a Verfahren gibt und das auch mit der Aussicht auf Knast, das nimmt zu. Aber vielleicht liegt es nicht an der Repression an sich. Denn die Repression ist immer eine Antwort auf die Aktivität. Die Frage, die ich mir hier stelle ist: Ist die radikale linke nicht stärker geworden, weil sie Brennpunktthemen aufgreift und Konflikte sucht?

Beim G7 Gipfel in Heiligendamm, 2007, da waren wir auch. Da gab es tausende Ermittlungsverfahren. Faktisch wurde das Demonstrationsrecht vor dem Gipfel aufgehoben. Oder der G20 Gipfel, 2017, mit der roten Zone in Hamburg. Das sind beides massive Eingriffe, aber auch die sind schwer vergleichbar. Bei solchen Ereignissen muss man mit massiven Repressionen rechnen. Egal ob vor X Jahren oder in der Zukunft.

Apropos G20 Gipfel: Ihr habt im KFZ eine Veranstaltung dazu organisiert, zu welcher die CDU in Marburg im Nachhinein einen recht erbosten Kommentar in der Oberhessischen Presse geschrieben hat.

Das ganze hat uns als Bunte Hilfe weniger getroffen. Wir waren da nur das Mittel zum Zweck, um das KFZ politisch anzukreiden. Das KFZ ist auf uns zugekommen mit dem Brief vom Bamberger und der CDU.

Der Vorwurf war ja, wir seien Linksradikale und würden Leute militant verführen und zu Militanz erziehen. Dafür sind wir zu alt, aber naja. Wir haben dann adäquat darauf geantwortet und haben uns nicht einschüchtern oder spalten lassen. Denn die CDU sind diejenigen, die die demokratische Verfassung laufend ins Negative ändert und nicht wir. Unserer Auffassung nach hat die CDU versucht eine Linksextremismus Debatte in der Stadtgesellschaft anzuregen und deswegen das Ganze initiiert. Der Depp Bamberger hat dann an Marburg gedacht und sich wahrscheinlich gedacht, dann nehmen wir mal das KFZ dafür, um das Linksextremismus-Hufeisen zu schwingen.

Eine Kritik der linken Subkultur

Nun hast du uns ja auch von verschiedenen Hausbesetzungen in Marburg erzählt. Seit 40 Jahren sind aber alle gescheitert. Und auch bundesweit gibt es nur einen Bruchteil an Hausbesetzungen, die dann nach langen Bemühungen erfolgreich sind. Ist die Zeit der Hausbesetzungen vorbei?

Gut, das ist jetzt meine persönliche Meinung und nicht die Meinung der Bunten Hilfe. Ich fange erneut mit den 80er Jahren in Berlin als Zentrum der Hausbesetzer:innen an. Es gab eine Spaltung mit Diskussionen und Streits zwischen den sogenannten Verhandlern und Nicht-Verhandlern. Im Rückblick waren die Verhandler die Erfolgreichen. Die, die ihre Häuser nicht legalisieren wollten, wurden geräumt. Die Nicht-Verhandler waren aber diejenigen, die die Pressearbeit gewissermaßen gemacht haben und somit öffentlichen Druck erzeugten. Da darf man sich auch nicht gegeneinander ausschließen lassen. Aber im Sinne der Sache, also Hausprojekte oder soziokulturelle Zentren aufzubauen, da waren diejenigen, die verhandelt haben und den Weg der Legalisierung gegangen sind, die erfolgreichen. Als Nachfolge dieser Zeit ist das Projekt der Mietshäusersyndikate entstanden. Das Entscheidende ist jetzt, dass diejenigen, die kein Eigenkapital besitzen nun gesellschaftliches Eigentum über das Mietshäusersyndikat generieren können. Das ist das Beste, was sowohl dem Gebäude, als auch den Bewohner:innen passieren kann, weil dadurch eine Infrastruktur dem privaten Wohnungsmarkt entzogen wird, um gemeinschaftlich und demokratisch darüber zu bestimmen. Das finde ich sehr gut, spielt aber keine Rolle innerhalb einer Stadtpolitik.

Um zurück zu der Frage zu kommen: Hausbesetzungen haben immer dann einen Sinn, wenn sie politisch auf einen Missstand hinweisen und sie haben auch einen internen Sinn für die Besetzer:innen, weil man viele kollektive Erfahrungen sammelt und im besten Fall aufzeigt, was man persönlich will. Und das wird von vielen in der Bevölkerung gut angesehen. Sei es einen jahrelangen Leerstand instand zusetzen oder die Nachbarschaft miteinzubeziehen. Da kommt auch Dankbarkeit auf einen zu. Diese Erfahrung gibt es immer. Die Hausbesetzungen in Marburg, da kamen immer Leute und haben Essen mitgebracht: „Mensch, die jungen Leute! Das ist so toll, dass ihr das macht!“ Aber der Versuch tatsächlich erfolgreich mit einer Hausbesetzung zu sein ist minimal und hängt stark davon ab, wem das Haus gehört. Wenn das Haus in privater Hand ist, kannst du es eigentlich vergessen. Bei einem öffentlichen Gebäude könnte dagegen noch heute was daraus werden. Die Wahrscheinlichkeit bleibt aber nach wie vor gering. Um noch einen kleinen Brückenschlag zu machen: Der Versuch von „Deutsche Wohnen Enteignen“ ist schon jetzt ein großer politischer Erfolg der Linken. Weil man das eigene politische Anliegen gesellschaftlich übertragen hat.

Wofür braucht eine radikale Linke deiner Meinung nach linke Räume?

Das ist keine einfache Frage. Ich selbst fühle mich als Teil der radikalen Linken. Weil sie notwendig ist und radikale Kritik übt, kämpferisch ist und über eine andere Welt nachdenkt. Aber die radikale Linke läuft Gefahr, dass der eigene Tellerrand sehr klein bleibt, wenn es nur um die eigene Subjektivität geht.

Also du meinst die linke Subkultur?

Ja, also wenn es in der eigenen Subkultur verhaftet bleibt. Also, um spitzfindig zu sein: „Gentrifizierung wird nur aufgegriffen, wenn es mein eigenes Viertel oder Szeneobjekt betrifft“. Und ja klar, das muss ja sein, weil ich wohne da ja auch und das ist legitim. Aber wenn wir dabei stehen bleiben, bringt es auch nichts. Die radikale Linke muss versuchen, in die Gesellschaft reinzugehen. Und das ist auch der Unterschied zwischen Post-Autonomen, wie der IL, und den Autonomen. Die Post-Autonomen sagen „Aktionen müssen so konzipiert sein, dass massenhaft Leute sich daran beteiligen können“. Die Autonomen sagen „Ist mir doch scheiss egal und wenn es nur 10 Leute sind die daran teilnehmen“. Ich übertreibe das jetzt natürlich. Aber Militanz darf nicht zum Selbstzweck werden und gleichzeitig ist Militanz auch nicht massenwirksam. Das ist halt ein anderer Ansatz. Eine radikale Linke kann nur dann eine Bewegung werden, wenn sie es schafft über die eigene Befindlichkeit hinaus zu wirken.

„Keine Panik!“

Warum habt ihr euch aufgelöst? In eurem öffentlichen Auflösungsschreiben nennt ihr zum einen private Gründe wie Lohnarbeit & Erziehungsarbeit. Könntest du das näher ausführen und erzählen, welche Diskussionen es bezüglich eurer Auflösung gab?

Alter war eines der Gründe. Ein paar von uns sind über 60, andere sind so Mitte 40 mit Vollzeitjobs. Die meisten von uns sind mit der Bunten Hilfe gealtert. Das hatte aber zur Folge, dass wir unserem Anspruch, einen Querschnitt der politischen Szene abbilden wollen, ab den 90er Jahren nicht mehr gerecht wurden. Unsere Kontakte zur marburger linken Szene wurden seitdem sporadischer. Das ist ein Problem geworden und ist einer der Gründe, warum wir uns aufgelöst haben. Wir selbst haben ja nicht mehr in den verschiedenen Bereichen gearbeitet und sind so alt geworden, dass es keinen Sinn mehr gemacht hat, jemand neues für die Bunte Hilfe zu finden. Unsere Gruppe war so eingespielt, dass wir intern nicht mehr viel diskutiert haben. Aufgrund der langjährigen Zusammenarbeit konnten wir gewissermaßen mit einer Stimme sprechen und hatten ähnliche Ansichten zur Antirepressionsarbeit. Deswegen wäre es für neue Leute sehr schwierig gewesen, sich bei uns einzufinden. Aus diesen Gründen beschlossen wir uns aufzulösen.

War die Auflösung der Gruppe dann eine einfache Entscheidung?

Ja, das war eine einfache Entscheidung. Es gab die Entscheidung „Kümmern wir uns um neue Leute oder hören wir auf?“. Und sofort war die Stimmung „Ja, wir hören auf“. Die Zeit war einfach reif dafür.

Spielte Trauer über die Auflösung demnach keine Rolle?

Doch, natürlich! Aber es war auch erleichternd. Wir haben es endlich ausgesprochen, was viele von uns dachten. Nach der Entscheidung haben wir uns auch erst mal hingesetzt und ein Bierchen getrunken. Wir bleiben aber weiterhin untereinander befreundet. Ein Bedauern ist bei mir, dass wir nicht früher darüber diskutiert haben, um neue Personen für die Bunte Hilfe zu finden. Wir sind heilfroh, dass es seit einigen Jahren die Rote Hilfe Marburg-Gießen gibt. Da wussten wir schon, das ist unsere Nachfolge.

Älter werden und politisch linksradikal aktiv bleiben. Funktioniert das?

Ja und Nein. Das war schon immer ein Problem. Ich kann nur von meiner Generation sprechen. Mit dreißig kommt so ein Hammer auf dich zu. Dein Leben wird sich wahrscheinlich ändern. Vielleicht kommen Kinder, du hast ein Beruf, insgesamt bist du eingebundener in deinem privaten Leben. Ich gehe jetzt von Leuten aus, die eine akademische Laufbahn haben und studieren. Bei Antifa-Punks muss es nicht so sein. Die bürgerliche Lebensrealität kommt zu dir oder du suchst sie auch. Dadurch verlierst du dein Engagement, weil du für deinen Aktivismus einen gewissen Freiraum und auch Zeit brauchst. Das andere ist eine Kritik von mir an linke Subjektivität. Klar sind deine eigene Befindlichkeiten und dein eigenes Leben auch wichtig, aber wenn diese sich ändern ist auch dein persönliches Engagement weg. Die radikale Linke muss gesellschaftliche Ziele formulieren. Kann man also alt werden und aktiv bleiben? Ja, es ist nur schwer und wahrscheinlich nicht in der linksradikalen Szene möglich.

Eine lustige Anekdote dazu: In Uruguay gab es die Tupamaros (11), eine Stadtguerilla die in den 1960er Jahren gekämpft haben. Einer davon kam nach einer langen Isolationshaft nach Deutschland. Und unter anderem in Hamburg hat er auch auf einer Veranstaltung gesprochen, bei der ich dabei war. Das muss in den 1990er Jahren gewesen sein. Ich habe ihn dann getroffen und etwas von dem was er erzählt hat, ist mir in Erinnerung geblieben. Ihn hätte irritiert, dass in Deutschland Kinder am Strand arbeiten spielen. Also Sandburgen bauen mit Schaufeln. Das wäre in Uruguay unvorstellbar! Dass Kinder am Strand arbeiten spielen! Dann sagte er zu mir, dass in Montevideo nur die Fake Autonomen rumlaufen würden und jetzt hätte er endlich die richtigen in Hamburg und Berlin kennengelernt. Die immer mit schwarzen Klamotten rumlaufen. Und das dritte war, dass er sich selbst noch als Revolutionär bezeichnet, aber heutzutage einen festen Job hat, wo er in die Slums von Montevideo kommt und mit den Unterpriviligierten reden kann. Für ihn ist es wichtig zu wissen, was die Leute beschäftigt und wie die so drauf sind. Aber hier in Deutschland bei den Autonomen? Da hätte er eine ganz andere revolutionäre Strategie kennengelernt. Die wäre interessant und dass müsste er unbedingt in Uruguay mit seinen Genoss:innen diskutierten. Nämlich den Kampf gegen die Bevölkerung zu führen! Also sich von denen abzugrenzen und zu sagen, das sind scheiß Leute! Mit denen will man nichts zu tun haben! Das sind alles Reaktionäre und Idioten! Stattdessen macht man sein eigenes Ding und baut Strukturen wie die Hafenstraße auf! Das wäre was komplett anderes, aber sehr interessant! Ich muss darüber sehr lachen, auch heute noch. Seine Ironie war mehr als überzeugend für mich.

Verliert man nicht nach all den Jahren die Hoffnung auf eine bessere Welt?

Ja. Die Vorstellung, dass irgendwann eine Revolution dieses Land verändert, die habe ich nicht mehr und die hatte ich glaube ich auch nie wirklich. Ich hätte auch viel zu viel Angst davor. Unabhängig von der Szeneproblematik bin ich pessimistisch. Für mich ist die entscheidende Frage: Was passiert mit dieser Erde durch das vorherrschende ökonomische System, das Natur und Menschen ausbeutet und eine geniale Fähigkeit hat, sich immer wieder aufs Neue zu konstituieren?

Ich glaube nicht, dass es gelingt ohne die Beseitigung des vorherrschenden ökonomischen Systems diese Erde als Lebensraum für die Menschen aufrechtzuerhalten. Ich bin zu alt und werde vieles nicht mehr miterleben. Aber die Enkel werden eine furchtbare Welt vor sich finden. Mit anderen Worten. Die Frage ist Sozialismus oder Barbarei. Aber ich bin da sehr pessimistisch. Das klingt sehr hart, ist aber kein Aufruf sich nicht zu engagieren. Im Gegenteil.

Puh, das sind harte Prognosen. Hast du zumindest noch ein paar letzte aufmunternde Worte?

(lacht) Keine Panik! Das ist nach den letzten Worten von mir etwas komisch zu sagen. Aber das war der Spruch der Bunten Hilfe. Es ist wichtig, sich mit Repression auseinanderzusetzen, aber nicht in erster Linie, sondern im Zuge des politischen Engagements. Repression darf nie lähmen!

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(1): Die Startbahn-West-Bewegung hatte ihren Höhepunkt in den Anfängen der 1980er Jahre und richtete sich gegen den Bau einer Startbahn auf dem Flughafen Frankfurt am Main. Im Zuge der Bewegung kam es zu militanten Aktionen. Die Todesschüsse 1987 auf Polizisten durch einen Demonstranten führten zu massiven Repressionen und schlussendlich zur Zerschlagung der Bewegung.

(3): KPD/ML: Die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten war eine Kleinstpartei von 1968 bis 1986.

(4): KPD/ AO: Die Kommunistische Partei Deutschlands (Aufbauorganisation) war eine maoistische K-Gruppe von 1970 bis 1980.

(5): EA: Abkürzung für Ermittlungsausschuss.

(6): 129a: Der Paragraph 129a wird angewandt um Zusammenhänge als „terroristische Vereinigungen“ zu kriminalisieren.

(7): „Ich bedauere, daß es mir mein hohes Staatsamt verbietet, den Kerlen selbst ein auf die Fresse zu hauen. Früher auf dem Bau hat man solche Dinge mit der Dachlatte erledigt.“ Zitat von Holger Börner im Interview mit der „Bunten Illustrierten“ Mai 1982.

(8): MSB: Der Marxistische Studentenbund Spartakus existierte von 1971 bis 1990 und war der offizielle Studierendenverband der DKP.

(9): SHB: Der Sozialistische Hochschulbund war ein der SPD nahestehender Studierendenverband.

(10): CISNU: Die Confederation of Iranian Students National Union war eine internationale und autonome Studierendenorganisation iranischer Oppositioneller gegen das Shah Regime.

(11): Tupamaros: Die Tupamaros, auch bekannt unter der Abkürzung ML N-T (Movimiento de Liberación Nacional – Tupamaros), waren eine marxistisch-leninistische Guerilla in Uruguay in den Jahren zwischen 1960 und 1970.