Als wir vor etwas mehr als einem Jahr, am 09.09.2020, gemeinsam auf die Straßen gingen, um auf die katastrophale Lage in Moria hinzuweisen, sich solidarisch zu zeigen und die Festung Europa zu kritisieren, lautete der erste Satz in unserem Redebeitrag: Europa du mieses Stück Scheiße!
Vieles hat sich seitdem nicht geändert. Seit Jahrzehnten nimmt diese ekelhafte Politik der EU ihren Lauf. Die Zäune werden höher, die Sprache menschenverachtender und die tausenden Toten, deren Namen und Geschichten wir nicht erfahren werden, ebnen den Boden der europäischen Gesellschaft. Wir wissen was passiert. Wir sehen die Bilder und Videos . Die Gesichter voller Verzweiflung und Angst auf der einen Seite und die der lächelnden Schergen mit Schlagstock, Pfefferspray und Gewehren auf der anderen Seite. Wir lesen die Schlagzeilen in den Zeitungen, die Geflüchtete dehumanisieren. Wir hören die Aussagen von Politiker:innen, die Geflüchtete Menschen „aufklären möchten nicht nach Europa zu flüchten“.
Und wir hören auch die Stille aus der Gesellschaft. Selbst unter uns. Vielleicht haben wir uns an das Sterben gewöhnt, vielleicht sind wir nach all den Jahren abgestumpft und resigniert. Denn uns ist allen bewusst, dass eine weitere Kundgebung, ein weiteres Transpi, eine weitere Parole und ein weiterer Text auf Social Media nichts, rein gar nix an der Situation vor Ort ändern wird. Die Zeiten der leeren Worte muss vorbei sein. Taten sind gefordert, wenn wir es ernst meinen, wenn wir davon sprechen die Festung Europa zu Fall zu bringen.
Nicht jede Person von uns kann sich mit dem Bolzenschneider in Richtung Grenze aufmachen. Aber wir können diejenigen unterstützen, die sich aufmachen und Menschenleben retten und das Leiden verringern wollen.
Unser Dank gebührt genau solchen Personen und Organisationen: Mission Lifeline, Luventa-Crew, der Kabul Luftbrücke oder Mauerfall.jetzt, um ein paar wenige zu nennen. Eine einfache Art Menschen zu unterstützen ist hierbei Geld und benötigte Sachspenden zu überreichen.
Nachfolgend deswegen ein Aufruf hierzu aus Gießen zur direkten solidarischen Hilfe!
GEGEN DAS STERBEN AN DER EU-AUSSENGRENZE
Die EU hat das Asylrecht an ihren Außengrenzen de facto abgeschafft. Nach über 22 Tausend Toten auf dem Mittelmeer (laut statista.com), stecken jetzt Tausende Menschen an der Grenze zwischen Belarus und Polen fest. Für sie gibt es kein Vor und kein Zurück, sie sitzen in der Falle, die Lage ist katastrophal. Einen Aufschrei auf politischer Ebene gibt es nicht, im Gegenteil: die Drohungen von deutschen Politiker*innen werden immer erschreckender.
“Die EU muss lernen, die Sprache der Macht zu sprechen!” (von der Leyen), „Niemand hat Interesse an Mauern, aber jetzt geht es darum, dass die Europäische Union ihre Wehrhaftigkeit beweist.“ (Kretschmer) Seehofer bedankt sich unterdessen bei Polen für die Verletzung des EU- und Völkerrechts, in dem sie Menschen das Asylverfahren verwähren und mit körperlicher Gewalt über die Grenze zurückdrängen.
Das framing, es handle sich bei dem “Flüchtlingsstrom” um “hybriden Krieg” von Lukascheno, soll die aktuellen und zukünftigen menschenverachtenden Maßnahmen rechtfertigen und legitimieren. Würde die EU die Asylsuchenden einfach aufnehmen und in ein Asylverfahren bringen, wie das rechtlich notwendig ist, würden Belarus’ Bemühungen ins Leere laufen. Die sich auf der Flucht befindenden Menschen, müssen Belarus als Transit-Land verwenden, weil die Balkanroute gesperrt, das Mittelmeer eine Todesfalle ist und es ansonsten nur noch die Option gibt in überfüllten griechischen Lagern auszuharren und an den Fluchtursachen hat sich auch nichts verändert. Dafür allein Lukaschenko verantwortlich zu machen ist heuchlerisch. Die angeblichen auf geteilten Werten, wie Demokratie, Freiheit und Frieden, beruhende EU, legt ihre Maske ab und zeigt ihr wahres Gesicht: Mitverantwortlich für die Fluchtbewegungen durch die Beteiligung an Krieg, Waffenexporte, (Neo-) Kolonialismus und Umweltschäden, will man sich vor den Folgen all dessen nun abschotten, auf Kosten der Leben von unbeteiligten Menschen, die ihre Familien in Sicherheit bringen wollen.
Polen verbietet im Sperrgebiet entlang der Grenze den Zutritt von medizinischem Personal und Journalist*innen. Die Anwohnenden müssen selbst humanitäre Hilfe leisten in einem Maß, das ihnen nicht möglich ist. Wir wollen sie unterstützen, in dem wir Materialspenden sammeln und selbst zur Grenze bringen. Menschen aus Gießen werden dort bleiben, um über die aktuelle Lage berichten zu können und weiter vor Ort zu helfen.
Es braucht:
Wir brauchen einen Transporter, am Liebsten Sprinter-Größe. Geliehen. Bitte meldet euch schnell, wenn ihr da was wisst, wir versuchen es parallel auf uns bekannten Pfaden. Andere Option: Wir könnten einen Bus organisieren, aber müssten vor der Fahrt noch etwa 750,00 Euro hineinstecken, da Winterreifen und neue Vorderradbremsen reinmüssen. Wir wollen bald los.
Rucksäcke, Erste Hilfe Koffer, Metallbecher, Essensrationen (Energy-Riegel, Schokolade, Kekse, Fertiggerichte, etc.), Stirnlampen, Thermoskannen, Feuchttücher, Zahnpasta und Zahnbürsten, Rettungsdecken, Camping-Equipment wie z. B. Gaskocher, Kartuschen, Skihosen, Skijacken, Thermo-Klamotten, Fleece-Klamotten, wetterfeste Kleidung, Winterstiefel, wasserfeste Schuhe, Mützen, Schals, Handschuhe, Zelte, Kameras, Powerbanks, Smartphones, wasserdichte Packsäcke.
Nehmt uns nicht übel wenn wir schreiben: Bitte keine unnötigen Entsorgungskandidaten vorbeibringen, verschwendet Platz und Sortierzeit
Sammelplätze:
AK44 / Alter Wetzlarer Weg 44. Die Spenden bitte in Säcke verpacken und überdacht unterstellen.
Ludwigstr. 50 / Tagsüber in den Hausflur oder im Hof unter das Carport.
ProWo in der Lincolnstraße 11-13 / In der Mitte des Hauses geht eine Holztreppe einen Balkon hoch. Vor der ersten Glastür können Sachspenden abgelegt werden. Achtung: Lincolstraße ist aufgrund einer Baustelle gesperrt, zum ProWo Haus kommt mensch am besten über die Dullessiedlung.
Projektwerkstatt Saasen, Ludwigstr. 11 in Reiskirchen-Saasen
Abgabe Montag bis Mittwoch, 15. bis 17.11, möglich
Geldspenden an: “Projekte in Gießen”; IBAN: DE18 5139 0000 0092 8820 04