Am 06.11.21 gingen wir als Teil des „Bündnis Gegen Rechts Marburg“ auf die Straße, um gegen die Naziburschen der Normannia-Leipzig zu demonstrieren. Dem Aufruf des BgR sind 350 Personen gefolgt.
Auch wenn Marburg als linke Hochburg gesehen wird, können wir die rechte Vernetzung, die rings um das Schloss herum passiert, nicht einfach wegwünschen. Die Marburger Burschenschaften sind schon sehr lange hier etabliert und dies sind sie auch durch die Möglichkeiten, die ihre Räumlichkeiten ihnen bieten, da sie sie für ihre Zwecke fast uneingeschränkt nutzen können. Immer wieder kommen namenhafte Vordenker der sogenannten neuen Rechten, oder besser Rechtsradikalen, nach Marburg: Wie zum Beispiel bei einer Veranstaltung auf dem Germania Haus mit Gästen wie Alain de Benoit.
Wir sehen also immer wieder, dass sie als Veranstaltungsort für Nazis und Faschisten aus dem europäischen Raum dienen können. Obwohl die Normannia-Leipzig es nicht schafft, nennenswerte Zahlen neuer Studenten auf ihr Haus zu locken, stellen Sie trotzdem Raum für Austausch und Etablierung rechter Netzwerke bereit.
In diesem Redebeitrag wird sich aus gegebenem Anlass spezifisch mit der Normannia Leipzig zu Marburg und wie sie im letzten Jahrhundert ihre Räume behalten konnte, befasst – diese Abhandlung ist allerdings typisch für Mitglieder der deutschen Burschenschaft und kann deshalb als beispielhafte Abhandlung gesehen werden. Danach gehen wir auf die Nutzung dieser Räume, spezifisch an diesem Wochenende, ein.
Während Burschenschaften gerne darauf verweisen, dass sie sich schon in Zeiten der Weimarer Republik aufgelöst hatten und als solche keine Rolle im Nationalsozialismus spielten, sollten sie eigentlich darauf eingehen, dass sie sich in den Nationalsozialistischen Deutschen Studenten Bund eingegliedert haben. Historiker Heither beschreibt die Situation wie folgt: “Wie kein anderer studentischer Verband stützte die DB den Nationalsozialismus“. Währenddessen gründete sich auch der NS-Altherrenbund, der durch aktives Mitwirken am NS-Regime die Häuser der Burschenschaften in dessen Besitz behalten konnte. So wurde auch die Normannia-Leipzig nach dem 2. Weltkrieg von den Alten Herren wiedergegründet und schon ab 1958 wieder aktiv betrieben.
Den Universitäten war erst noch bewusst, welche Gefahr Burschenschaften eigentlich bedeuteten und stellte zunächst strenge Regeln auf, um diese aus der Uni zu verbannen. Was fehlt, war und ist eine Aufarbeitung dieser Geschichte, die die kritische Beurteilung der Rolle der DB in der Weimarer Republik und im NS-Regime hätte ermöglichen können. Stattdessen waren die Studenten im Nachkriegsdeutschland materiell in Not und wendeten sich vermeintlichen studentischen Traditionen zu, die sich die Burschenschaften auf die Fahne schrieben. Sie konnten das Momentum nutzen, um ihre bestehenden Räumlichkeiten wieder zu füllen. Die Entnazifizierung der Universität war hier gescheitert.
Wir finden, es ist eine reine Verhöhnung, dass Gebäude und Organisationen mit so einer Geschichte den Titel der Gemeinnützigkeit haben und behalten können!
Heute werden diese Räumlichkeiten unter anderem dafür genutzt, gegen Geflüchtete zu hetzen. Alexander Schleyer, Corpsstudent der Hansea Wien, glorifiziert in seinem Buch, wie er Menschen dehumanisiert und stellt sich als Abenteurer dar. Neben seinem Dasein bei den Identitären, unterstützte er unter anderem auch schon „Anti-Antifa“ Projekte, wie die sogenannten „Chroniken Linksextremismus“ des extrem- und Neu-rechten Vordenkers Helmuth Knütter, welche sinngemäß eine Ergänzung des zu linken Verfassungsschutzberichtes seien.
Auf sozialen Medien prahlt Schleyer mit Waffen, verleiht dabei einem Bild seiner Pistole auf Facebook beispielsweise die Überschrift: „das nächste Mal schreiten wir ein, meine Glock und ich“. Er war Teil der Identitären „Defend Europe – Mission“ auf dem Mittelmeer, ein wiederum rassistischer Versuch, die europäischen Aussengrenzen zu bewachen. Hierüber schrieb er ein Buch, welches er bei dem neurechten Antaios-Verlag um Götz Kubitschek hat verlegen lassen und weshalb er heute Abend auch bei den Normannia-Burschen eingeladen ist.
Während die Identitären mit ihrer Defend Europe-Mission aktiv versuchten Geflüchtete Menschen in Seenot an ihrer Flucht zu hindern und dadurch diese in Gefahr brachten, haben vor ein paar Wochen bewaffnete Neonazis des „Dritten Wegs“ in Guben versucht Geflüchtete zu jagen. Gleichzeitig ist die Festung Europa mit Frontex schon gut dabei tausende Menschen an ihren Außengrenzen umzubringen. Staat und Nazis gehen hier Hand in Hand.
Zurück zur Normannia: Es zeigt sich ein weiteres Mal, dass ganz und gar nicht davor zurückgeschreckt wird, Rechtsextreme zu Veranstaltungen einzuladen. Im Gegenteil. Vielmehr soll die Pseudo-Prominenz des gewaltbereiten Rassisten Schleyers der Normannia-Leipzig zu einem besseren Standing innerhalb der Burschenschaften verhelfen. Das sonst fast leere Normannen-Haus, dass die Burschenschaft aufgrund ihres Gemeinnützigkeits-Labels billig halten kann, dient als Vernetzungsort Rechter und Rechtsradikaler und Rechtsterroristen. Nicht mit uns Alexander, verpiss dich aus unserer Stadt!
Insgesamt wollen wir Scherpen, Bootsschuhe, blaue Hemden und beige Chinos nicht mehr sehen!
Wir wollen sie aber auch nicht einfach ins geheime drängen, wo sie sich neu aufstellen und gegenseitig bekräftigen können, sondern, ganz im Sinne dieser Demo, die Nazivillen komplett dicht machen!