Materialistischer Feminismus hat den Anspruch Herrschaftssysteme als Ganzes zu betrachten, aufzudecken und zu überwinden. Insbesondere die Verstrickungen zwischen Patriarchat und Kapitalismus werden in materialistisch-feministischen Ansätzen auseinandergenommen. Materialistischer Feminismus steht daher für eine radikale Gesellschaftsanalyse. Wir möchten uns gemeinsam mit euch folgenden Fragen widmen: Wie lassen sich Staat und Kapitalismus feministisch kritisieren? Wie können Patriarchat und dessen Verstrickungen in sämtlichen Lebensbereichen definiert und vor allem angegriffen werden? Sind materialistischer Feminismus und Queerfeminismus unvereinbar miteinander oder können Verbindungen geschaffen werden?
Für einen Feminismus, der ums Ganze geht und angreift, was uns von der Emanzipation im Wege steht: Staat, Nation, Kapital, Patriarchat.
“What fem? MatFem! Der feministische Kampf im Spannungsfeld zwischen Patriarchat und Kapitalismus”
28.04.23 / 20:30 Uhr / Café am Grün
Was macht materialistischen Feminismus aus, wie unterscheidet er sich von anderen feministischen Strömungen? Was genau ist Materialismus überhaupt und inwiefern sind ökonomische Verhältnisse und Patriarchat verwoben? Wie werden soziale Verhältnisse und Geschlechterbeziehungen durch den Kapitalismus und seine Auswertungslogik geformt?
Wir wollen mit euch im Auftakt zu unserer Veranstaltungsreihe einführende Fragen beantworten und eine Notwendigkeit materialistischer Feminismen bieten.
Kino: Risse im Patriarchat
11.05.23 / 20 Uhr / Trauma im G-Werk
Ein Dokumentarfilm, der aus sieben unterschiedlichen Perspektiven über den vielschichtigen Kampf der argentinischen LGBTQI*-Community erzählt. Ein Dokumentarfilm aus Sicht von sieben Protagonist*innen, die ihren persönlichen und politischen Standpunkt vertreten, in dem sie Gründe und Ziele ihres Engagements als Mitglieder der LGBTQI*-Community von Buenos Aires darlegen. Jede*r von ihnen erzählt von persönlichen Prozessen und Erfahrungen, die ihre soziale und politische Identität, sowie die Motivation für ihren Kampf für eine gleichberechtigte und gerechtere Zukunft ausmachen.
Durch ihre Schilderungen sehr ähnlicher Themen und Fakten aus historischer und zeitgenössicher Sicht, die auf ihren einzigartigen Standpunkten basieren, wird uns eine Vielfalt von Perspektiven aufgezeigt, die in ihrem Dasein und ihren Kämpfen verwurzelt sind. In diesem Sinne teilen die Protagonist*innen nicht nur einen gemeinsamen Wunsch, sondern auch ihre Motivation, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die sich für eine andere Welt einsetzt, die jede*r als einen sicheren Raum empfinden kann und in der das Patriarchat zur Vergangenheit gehört.
Ein Film von Cagdas Celtikli und Kai Münch
Weitere Infos und Trailer: https://grietaspatriarcado.com/en/eng/
“No Pride in Israeli Apartheit?“ Zur Funktion des Antisemitismus in queerfeministischen Diskursen
Vortrag von Franziska Haug
23.05.23 / 20:30 Uhr / Café am Grün
Antisemitismus, Antizionismus und sogenannte Kritik an Israel wird in der letzten Zeit nicht nur in der Wissenschaft, sondern besonders in linken, queerfeministischen Kontexten laut: Die Petition #aufschrei wurde von etlichen BDS-Befürworter*innen unterzeichnet, es werden Witze über „gehäutete Bänker_innen“ gemacht, die Vernichtung von Millionen Jüdinnen_Juden als „Repression“ beschrieben und etliche „Pink Washing Israel“ Gruppen kämpfen aktuell weltweit gegen das Existenzrecht Israels. Woher kommt dieser Hass auf Israel innerhalb weiter Teile der linken Queer-Community? Muss Queerfeminismus, will er seinem Begriff gerecht werden, nicht per se gegen Antisemitismus sein? Dieser These soll anhand aktueller Debatten in dem Vortrag nachgegangen werden.
Zur Referentin:
Franziska Haug arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Literaturwissenschaft und den Gender Studies an der Goethe- Universität Frankfurt und hat im April ihre Doktorarbeit zu „Arbeit als literarisches Verfahren der Produktion von Geschlecht“ abgegeben.
Sie forscht an der Schnittstelle von Queerfeminismus und Marxismus sowie Historischem Materialismus, zu Popkultur und zur Kritik der politischen Ökonomie. Weitere Arbeitsfelder sind der Zusammenhang von Antisemitismus und Geschlecht, insbesondere am Beispiel aktueller Entwicklungen in der LGBTQI Szene. Um gegen die universell schlechten Verhältnisse anzukommen, sucht Franziska Haug nach Allianzen zwischen Queerfeminismus und Materialismus; auch auf die Gefahr hin, dafür deren Widersprüche zu verschärfen.
Zuletzt erschien im Herbst 2022 in der Phase 2 der Artikel: „‘Wessen Morgen ist der Morgen? Wessen Welt ist die Welt?‘. Zum Verlust des Allgemeinen und der Notwendigkeit eines neuen Universalismus“
Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett im Kapitalismus
Vortrag von der Feministischen Initiative Ruhr
08.06.23 / 20:30 Uhr / Café am Grün
Die Lebensphase von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett ist eine Phase des Umschwungs, der Neufindung und (meist) des Glücks- oft ist sie jedoch auch geprägt von Entmündigung, Gewalterfahrungen und Strukturproblemen.
– Schwangerschaftsabbrüche sind nach §218 noch immer illegal und strafbar.
– 30-50% der Frauen und gebärenden Menschen erleben unter der Geburt psychische und/oder physische Gewalt.
– Ungefähr jede fünfte Familie kann im Wochenbett wegen des Hebammenmangels keine Hebammenhilfe in Anspruch nehmen.
Wie beeinflusst das Patriarchat diese Lebensphase? Und wie gestalten die kapitalistische Produktionsweise und Logiken die Erfahrungen der Gebärenden und Arbeitsbedingungen der Hebammen?
Ich bin Paula, examinierte Hebamme und bei der Feministischen Initiative Ruhr als materialistische Feministin aktiv. Gemeinsam mit euch will ich meine Erfahrungen als Hebamme reflektieren und sie materialistisch einordnen.
Kino: “Wie wir wollen” + FLINTA Kneipenabend in der Baari Bar
12.06.23 / 20 Uhr / Trauma am G-Werk
WIE WIR WOLLEN ist ein kollektives, filmisches Portrait, in dem 50 Individuen, die in Deutschland eine ungewollte Schwangerschaft abgebrochen haben, zu Wort kommen. Persönlich, nachdenklich, gespickt mit Witzen und Momenten der Empörung, bieten diese Erzählungen ein ermutigendes Gegennarrativ zum gesellschaftlichen Tabu rund um Abtreibungen.
In Deutschland, wo Abtreibungen immer noch als Straftat gelten und das ungeborene Leben unter rechtlichem Schutz steht, wird der Zugang weiterhin erschwert durch einen bundesweiten Ärztinnenmangel sowie ein sich ausbreitendes Netzwerk an christlichen Fundamentalist*innen.
WIE WIR WOLLEN blickt über die pro-choice / anti-choice Dichotomie hinaus, um kritisch zu hinterfragen, was es überhaupt bedeutet, eine freie Entscheidung zu treffen – in einer Gesellschaft, die Menschen durch cisheteronormative, rassistische, kapitalistische und be_hindertenfeindliche Strukturen unterdrückt
Welche Entscheidungsmöglichkeiten gibt es für wen und warum?
Ein Sprechchor aus Frauen, trans und nicht-binären Personen unterbricht sein alltägliches Leben, bestehend aus Arbeit, Erholung und Freizeit, und tritt in die Erzähler*innenrolle vor. Der Chor ersetzt die allwissende Offstimme des Dokumentarfilms und strebt als erzählerisches Mittel einen feministischen filmischen Blick an.
Im Jahr 2021 wurde Paragraph 218, der Abtreibungen in Deutschland unter Strafe stellt, 150 Jahre alt. Vor dem Hintergrund eines weltweiten Angriffs auf reproduktive Rechte, ist WIE WIR WOLLEN ein zeitgemäßer Beitrag zum internationalen Kampf für körperliche Selbstbestimmung.
Weitere Infos zum Film und zum Trailer: https://wiewirwollen.org/der-film/
Materialistischer Queer-Feminismus. Entstehung und theoretische Grundlangen
Vortrag von Friederike Beier
14.07.23 / 19 Uhr / Philfak 01H01
Der Vortrag führt in die Grundlagen des materialistischen Queer-Feminismus ein, der die Rolle von Geschlecht und Sexualität im Kapitalismus theoretisiert. Dabei vereint der materialistische Queer-Feminismus Erkenntnisse und Theorien des marxistischen Feminismus, welcher gesellschaftliche Strukturverhältnisse in den Blick nimmt, als auch queer-theoretische Ansätze, die Geschlecht und (Hetero-)Sexualität als sozial konstruiert verstehen. Zusammen gedacht ist eine heteronormative und zweigeschlechtliche Geschlechterordnung konstitutiv für ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, was auf der Trennung zwischen Produktion und Reproduktion (unbezahlte Haus- und Sorgearbeit) im Kapitalismus beruht. Der Vortrag zeichnet die Entstehungsgeschichte des materialistischen Feminismus seit den 1980ern nach und zeigt seine queer-theoretischen und dekonstruktivistischen Grundlagen. Weiterhin geht er auf aktuelle Entwicklungen ein und zeigt am Beispiel der sozialen Reproduktion wie ein marxistischer Feminismus mit queeren Theorien zusammen gedacht werden kann.
Friederike Beier ist Politikwissenschaftlerin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Freien Universität Berlin. Sie hat bei unrast die Buchreihe Theorien und Kämpfe der sozialen Reproduktion und den Band materializing feminism. Positionierungen zu Ökonomie, Staat und Identität zusammen mit Lisa Yashodhara Haller und Lea Haneberg (2018) herausgegeben. Aktuell arbeitet, forscht und lehrt sie zu materialistischem Queer-Feminismus, sozialer Re_Produktionsarbeit, queer-feministischer Staatstheorie und der globalen Regierung durch Zahlen.