Ab sofort könnt ihr Soli-CD’s der Band “Tod und Mordschlag” vom “Stand der Dinge – Tour 1999” im Anarchistischen Infoladen Marburg zur Spendenempfehlung von 1 – X Euro erwerben. Die Spenden kommen der Soli-Kampagne “Solidarität statt Nationalismus” zugute. Die CD ist eine Live-Aufnahme aus dem Jahr 1999 von einem Konzert in Marburg, die sich gegen die Burschenschaften und Verbindungen richtete. Der Klappentext der CD zeigt die Lage marburger Antifaschist:innen Ende der 90er Jahre auf und zeigt neuen Antifaschist:innen, wie weit wir in der Stadt Marburg aufgrund jahrzehntelanger Interventionen gekommen sind. Also holt euch ein kleines Stück marburger Antifa-Geschichte in eure Zimmer und supportet dabei Genoss:innen!
Hier die Infos vom Klappentext der CD
Warum diese CD?
Tod und Mordschlag (T.U.M) hat 1999 das zweite Mal in Marburg gespielt. Von diesem Konzert gab es einen Mitschnitt, so daß uns sofort die Idee kam, mit diesem Mitschnitt etwas anzufangen. Eine CD sollte gemacht werden, deren Erlöse denjenigen zugute kommem soll, die wegen einer Antifa Aktion in Marburg vom September 1997 kriminalisiert werden.
An dieser Stelle möchten wir uns noch mal ganz herzlich bei den T.U.M.s bedanken, die zum einen 1998 und 1999 bei uns auf Gegenaktionen gespielt haben und zum anderen diese CD hier ermöglicht haben,
Solidarität mit den kriminalisierten Antifas
Im September 1997 wurde die Wanderaustellung “Vernichtungskrieg, Verbrechen der Wehrmacht 1941-1945” in Marburg gezeigt. Wie in vielen anderen Städten versuchten auch in Marburg revanchistische und neofaschistische Organisationen und Gruppen auf den Straßen zu marschieren. So kamen am 14.09.1997 Mitglieder von Soldatenverbänden, den “Republikanern”, der Sauerländer Aktionsfront (SAF) und anderer neofaschistischer Vereinigungen aus dem gesamten Bundesgebiet nach Marburg. Für diesen Tag waren zwei rechte Kundgebungen angemeldet. An einem Soldatendenkmal sollte “in Würde” ein Gedenkkranz abgeworfen werden. Der DGB und eine andere Gruppe meldeten antifaschistische Gegendemonstrationen an.
Alle Versammlungen wurden verboten. Gegen das Verbot klagte für die Rechten der Republikanische Hochschulbund (RHV) vor dem Verwaltungsgericht, für die Antifaschistische Demo der Marburger DGB. Das Verwaltungsgericht hob beide Verbote auf, so daß zwei Demonstrationen zur gleichen Zeit am gleichen Ort stattfinden konnten
Die Polizei war mit mehreren Hundertschaften im Einsatz. Die antifaschistischen GegendemonstrantInnen waren früher da und besetzten den Ort um das Soldatendenkmal. Für alle unerwartet griffen Antifas noch vor Beginn der Kundgebungen Nazikader an, die am Rand standen. Ziel der Aktion waren u.a. Manfred Roeder und Roy Arthur Gadenau. Manfred Roeder ist als Initiator der “Deutschen Aktionsgruppen” (DA) verantwortlich für die Ermordung von zwei Vietnamesen, die bei einem Anschlag der Deutschen Aktionsgruppen 1980 verbrannten. Kurz nach der Wehrmachtsaustellung 1997 in Marburg wurde Manfred Roeder im Zuge des “Bundeswehrskandals” bundesweit bekannt. Ray Arthur Godenau war in den USA im Ku-Klux-Klan aktiv. Vor seinem Hof zwischen Marburg und Kassel verbreitete er in regelmäßigen Publikationen seine rassistische und antisemtische Gesinnung. Die Antifa-Aktion traf folglich nicht irgendwen, sondern bundesweit agierende Nazis.
Die SAF und deren “Kameraden” wollten später zu der rechten Kundgebung stoßen, liefen aber direkt den Bullen in die Arme und wurden in Gewahrsam genommen. Sie wurden zu ihren Autos zurückeskortiert, die teilweise nicht mehr fahrtauglich waren. Ein Auto war ausgebrannt, andere platt.
Bereits am gleichen Tag wurden zwei tatverdächtige Antifas festgenommen. Einige Zeit später wurden noch zwei weitere Personen ermittelt. Es werden immer noch mehr als zehn Menschen gesucht. Drei der vier ermittelten Personen mußten ein Verfahren wegen Landfriedensbruch und Körperverletzung über sich ergehen lassen. Bei zwei Menschen wurde Ende 1999 das Verfahren auf Strafbefehlsebene mit Bewährungsstrafen beendet. Teil der Bewährungsauflagen sind Geldzahlungen. Die Summe aus Strafbefehl- und Anwaltskosten belaufen sich auf ca. 20.000 DM.
Unsere Solidarität gilt den kriminalisierten Antifa! Unser Gruß all denjenigen, die sie nicht erwischt haben!
…also maul Halten!!!!! / Die Soli-Gruppe
Wie diese CD entstand
Nie wieder Marktfrühshoppen! Freiraum schaffen gegen Herrentage und andere Widerwärtigkeiten!
Das war 1999 das Motto der antifaschistischen Aktivitäten gegen den alljährlichen ersten Sonntag im Juli stattfindenden “Traditionellen Marktfrühshoppen”. Der Marktfrühshoppen ist ein Fest der “Marburger Bürger für die Studenten”. Daß unter dem Begriff “Studenten” jedoch vornehmlich die Mitglieder der studentischen Verbindungen gemeint sind, zeigt sich bereits am Ablauf des Marktfrühshoppens. In enger Anlehnung an die Feier- und Trinkriten der studentischen Verbindungen gleicht der Marktfrühshoppen einem städtisch geförderten Verbindungsfest.
Die studentischen Verbindungen werden auch Korporationen genannt. Die Korporationen (Landsmannschaften, Turnerschaften, Sängerschaften, Burschenschaften, Corps etc.) stehen in deutschnationaler, militaristischer Tradition. Gehorsams-Rituale, Trinkzwang, Zugang zur Vereinigung nur für deutsche Männer mit abgeleistetem Wehrdienst sind in den meisten Verbindungen wiederzufinden. Selbst die gerne als “harmlos” oder “liberal” bezeichneten Korporationen verfügen über Elemente des Verbindungslebens, die ein Fokus der gesellschaftlichen Gewaltverhältnisse darstellen. Patriarchale, rassistische und nationalistische Strukturen treten in diesen Verbindungen nocht deutlicher zu Tage als beim Rest der Gesellschaft. Die vor allem von “liberaleren” Verbindungen so oft beschworen “Toleranz” zeigt sich besonders gegenüber solchen Verbindungen, die keine Hemmungen haben, offen oder verdeckt mit offenen rassistischen und nationalistischen Gruppierungen gemeinsame Sache zu machen.
Nicht von Ungefähr setzen sich Neonazis aus dem Marburger Umland seit 1998 für den Erhalt des Marburger “Marktfrühshoppens” ein und versuchen 1998 und 1999 Anti-Antifa-Aktionen durchzuziehen. Marburger Burschen haben die rechten Aktivitäten gegen die Wehrmachtsaustellung mitorganisiert und die Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung am 14.09.1997 angemeldet. Einige Burschen tauchen immer wieder auf bundesweiten Nazi- Aufmärschen auf oder begrüßen Nazis aus dem Umland auf ihren Häusern zu Veranstaltungen oder Saufgelagen.
Wieviel Rückhalt das Marburger Korporationswesen in der Stadt und bei der Stadtverwaltung hat, zeigt sich jedes Mal vor dem “Marktfrühshoppen”. Trotz jahrelanger Kritik an dem “Marktfrühshoppen” und von Jahr zu Jahr steigender Anzahl der GegnerInnen setzt die Stadt alles daran, dieses Fest zu erhalten und Gegenaktivitäten so weit wie möglich zu unterbinden. Seit 1996 kann dieses völkische Fest auf dem Markt nur unter Schutz von mehreren Hundertschaften Polizei stattfinden. Dies führte unter anderem dazu, daß die bisherige Veranstalterin, eine Stadtteilgemeinde, die sich Oberstadtgemeinde nennt, 1999 auf das Fest verzichtet hat. Der Allgemeine StudentInnen Ausschuß (AStA) der Uni wollte statt dessen an genau diesem Wochenende auf dem Markt ein ganz anderes Fest durchführen. Dies verweigerte die Stadt mit fadenscheinigen Begründungen. Eine Demonstration durfte 1999 ebenfalls nicht auf dem Markt stattfinden, weil Burschen sich dort “spontan” d.h. unangemeldet zu einem Bier versammeln würden, so daß Marburger Ordnungsamt. Gerichtlich bestätigt wiegt in Marburg das Recht öffentlich ein Bier zu trinken höher als das Recht auf Versammlungsfreiheit. Ordnungsamt und Gerichte genehmigten unter unannehmbaren Auflagen die Demo “gegen Herrentage und andere Widerwärtigkeiten” am Sonntag Morgen.
Von Jahr zu Jahr wird es schwieriger, einen Platz zu finden, an dem neben der Gegendemo auch ein Gegenfest veranstaltet werden kann. Wir finden es besonders wichtig an einem solchen Wochenende, an dem die Stadt voller reaktionärer Macker und Bullen ist, im Stadtbild präsent zu sein, weshalb die Gegenfeste nicht in irgendwelchen linken Nischen stattfinden sollen, sondern für alle wahrnehmbar, möglichst zentral und unter freiem Himmel.
Auch 1999 war es bis zuletzt unklar, ob das angemeldete Gegenfest vor dem internationalen StudentInnen- Wohnheim Collegium Gentium (CG) durchgeführt werden kann. Nach zähen Verhandlungen mit Ordnungsamt und Unileitun, die für die Vergabe dieses Platzes zuständig ist, wurde schließlich eine Open Air Veranstaltung in Zimmerlautstärke genehmigt, wovon ihr gerade einen Teil in den Händen haltet.
Trotz unterschiedlicher Einschätzungen über die Außenwirkung der Aktionen darf die Tatsache, daß 1999 nur ca. 300 statt der sonst üblichen 3000 “Bürger und Studenten” auf dem Marktplatz feierten als kleiner Erfolg gewertet werden. Auch in den nächsten Jahren werden wir, wenn nötig, Widerstand gegen den Marktfrühshoppen leisten, egal wer ihn veranstaltet und wie viele Burschen erwartet werden.
Freiraum schaffen gegen Herrentage und andere Widerwärtigkeiten!
Die Vorbereitungsgruppe gegen Herrentage und andere Widerwärtigkeiten
Ein paar Sätze von der Band selbst
Uns gibts nicht mehr. Wir haben am 25.09.99 unser 120stes und damit gleichzeitig unser letztes Konzert gespielt. 4 Jahre sind wir in der gleichen Besetzung ab und zu durch die Gegend getingelt und haben auch ein paar Auftritte in Berlin gehabt. Bezugspunkte waren in der Regel die radikale Linke, bzw., das was davon noch übriggeblieben ist. Und so waren wir in dieser Zeit also auch 2x in Marburg. Anlass war immer der Marktfrühshoppen der Hackfressen. Die Idee, eine kulturell-politische Gegenveranstaltung zu unterstützen, fanden wir natürlich gut und richtig.
So war es oft. Wir kamen irgendwo hin und haben “soli” gespielt, sind meistens auf ziemlich nette und engagierte Menschen gestossen, hatten unsern Spaß und haben hoffentlich Spaß und paua rübergebracht. Der Anlass dieser CD ist nun auch wieder `ne Solidaritätskiste. Es müssen Prozesskosten bezahlt werden von Leuten, die sich mit den rassistischen Gegebenheiten nicht abfinden wollen, genau wie wir selbst. Wir hoffen ,dass der Verkauf der Scheibe genug Kohle bringt, um wenigsten ein paar Leuten aus dem finanziellen Schlamassel herauszuhelfen. Wir verdienen daran keinen Pfennig.
An das mitgeschnittene Konzert erinnern wir uns gerne. Es war geiles Wetter, wir haben in die Dämmerung hinein gespielt, waren an der frischen Luft und es war der 2te Tag unserer letzten Tour. Im Anschluss an das Konzert gabs `ne Spontandemo mit etwa 100 Leuten. Am nächsten Morgen/Mittag haben sich dann die Burschenschaftler ihr Bier auf dem Marktplatz in den Kopf gekippt, relativ unbehelligt und schön dummdeutsch. Wir hätten sie aus der Stadt jagen müssen, sie angreifen, ihnen ihr Fest vermiesen, ihnen ihre Ruhe nehmen müssen. Sie blieben aber weitesgehend ungestört. Das ist schade, ärgerlich und bedenklich. Wo ist die kollektive Stärke, das kollektive Gefühl von einst geblieben?
Wir wollen hier nicht von “guten alten Widerstandszeiten” anfangen, die Zeiten sind immer so wie sie sind und nur zum Teil so, wie wir in der Lage sind, sie zu beeinflussen. Und es ist nicht die Zeit, die Ideale an den Nagel zu hängen und die Hoffnung zu stecken. Früher war nicht alles besser, aber heute ist es möglicherweise komplizierter. Wir grüßen die FreundInnen und GenossInnen, vor allem die, auf der Flucht, im Knast und im Exil. Und wir bedanken uns bei allen, die T.U.M. unterstützt und geholfen haben. Habt einen langen Atem und schafft euch ein dickes Fell an!
Tod und Mordschlag / Berlin / Februar 2000