Am 01. Oktober 2022 gingen wir als Teil des „Bündnis gegen Rechts Marburg“ gegen den Burschenkongress der „Neuen Deutschen Burschenschaft“ auf die Straße. Den Aufruf findet ihr hier. Die Fotos wurden vom Kollektiv „Polit Fotografie Marburg“ aufgenommen und zur Verfügung gestellt.
Heute findet mal wieder der Burschentag statt. Dieses Jahr bei der Burschenschaft Arminia Marburg, die sich gerne damit brüstet, eine der sogenannten liberalen, modernen Burschenschaften zu sein. Sie ist seit 1996 Teil der Neuen Deutschen Burschenschaft und nicht mehr Teil der explizit rechten Deutschen Burschenschaft, sodass die Burschen auf Ihrer Webseite mit angeblichen Vorurteilen aufräumen wollen. Doch, wie auch im Demoaufruf beschrieben, sind die Burschen deshalb nicht unproblematisch. Wir wollen das in diesem Redebeitrag ganz spezifisch anhand der Arminia zeigen und mit einer feministischen Kritik von Männerbünden beginnen, dann auf ihren Elitarismus eingehen und zuletzt ihren Patriotismus und Nationalismus betrachten. Wir orientieren uns grob an diesen Bereichen, wissen aber auch, dass alles miteinander zusammenhängt.
Burschenschaften schließen Frauen explizit aus ihren Organisationen aus, was eine frauenfeindliche Abwertung zur Folge hat. So glorifizieren sie den studentischen Männerbund und wir fragen uns, ob sie sich nicht die Zeit zurückwünschen, in der Frauen an der Universität noch nicht zugelassen waren – was in Marburg zum Beispiel erst seit 130 Jahren der Fall ist. Denn Burschenschaften sehen Frauen nicht als handelnde, gleichwertige Individuen. Frauen, oder wie die Arminia sagt Damen, womit sie ihr reaktionäres Gedankengut für uns zur Schau stellt, sind gerne bei Festen und gemeinsamen Tanzabenden gesehen. Für den sonst so gern gesehenen akademischen Austausch reicht es also nicht, aber zur Objektifizierung und als Sexobjekte dann doch wieder gerne. Frauen werden so in die private Sphäre zurückgedrängt und stehen dem rationalen Mann gegenüber.
Aber zurück zur Arminia. Diese sagt: „Wir halten an unseren Bräuchen fest, weil unsere Traditionen Zukunft haben. Wir vermitteln traditionelle Werte wie Ehre und Zusammenhalt. Zeitgleich spielen wir aber auch Playstation und Billard. Rückwärtsgewandt sind wir bestimmt nicht.“ Interessant ist hier, dass versucht wird ihre reaktionäre Scheiße modern und neoliberal in einen Slogan einzubetten. Die Konstruktion von Männlichkeit durch Ehre und Zusammenhalt ist wenig überraschend, denn gerne präsentieren sich die Burschen in soldatischer Manier: Sie sind zwar nicht mehr Teil des Marburger Waffenrings, aber dafür gründete sich 2022 der Marburger Fechtring: ein Zusammenschluss „mensurbeflissenen, liberalen Marburger Studentenverbindungen.“ Das studentische Fechten sei also ein Mittel der Persönlichkeitsbildung bei der der Nachweis der Mensurreife verlangt wird, das Schlagen der Mensur sei aber freiwillig. Das klingt widersprüchlich, ist uns aber auch egal, denn egal ob pflichtschlagend oder fakultativ – Männerbünde zerkratzen.
Verbindungen und Burschenschaften stehen in der Tradition des elitären Bewusstseins – und zur Elite gehören in ihrem Denken natürlich wiederum nur Männer. Vom Auftreten zu ihren Ritualen dient es zur Heranzüchtung eines elitären und autoritären Charakters. Es geht darum sich von den anderen Studierenden abzugrenzen. Dem Pöbel, den Armen, den linken und all dem anderen Gesocks. Denn sie selbst sehen sich als eine Elite an, die sich über ihr Weltbild bestehend aus Gehorsam, Männlichkeit, Tradition und Nationalismus auszeichnen. Über die „alten Herren“ werden Kontakte in die Politik und Wirtschaft geknüpft, damit die Verbinder nach ihrem Studium gehobene Posten übernehmen können. Sie können sogar persönliche Mentoren, laut der Arminia zum Beispiel einen Anwalt oder Arzt, beauftragen, um den sogenannten Bundesbrüdern zu besseren Positionen zu verhelfen. Denn das Lebensbundprinzip fungiert hier als Kaderschmiede und sendet Reaktionäre in hochgestellte Positionen. Dieses Prestige lockt wiederum junge Männer. Die Burschen vernetzen sich in Marburg über die Werte Union und dem RCDS und haben auch enge Verbindungen zum CDU Oberbürgermeisterkanditaten Dirk Bamberger, der Teil des Freundeskreises der Arminia ist. Bamberger nahm letztes Jahr am Totengedenken der Verbindung teil, protestierte aber auch mit der AfD für die A49 – wenig überraschende Schulterschlüsse.
Es geht in den Burschenschaften und Verbindungen um ein Macht- und Geltungsstreben, die durch klare Regeln, Hierarchien und Autoritäten ermöglicht und propagiert werden. In ihrem elitären Denken ist, ob sie es nun selbst verneinen würden oder nicht, kein Platz für eine umfassende Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Menschen. Eine Emanzipation basiert auf Konsens und nicht auf Autoritäten und Traditionsvorstellungen. In ihrer Ideologie wird die Gesellschaft in Eliten und Massen unterteilt. Das geht mit ihrem Führungsanspruch einher.
Der Spruch der Arminia Marburg heißt „Gott – Freiheit – Vaterland“. Wir scheißen auf Gott und wir scheißen auf euer Vaterland, dass in der Geschichte so viel Leid gebracht hat. Und die Freiheit für die ihr einsteht ist keine universelle, sondern eine von und für größtenteils weiße Männer. Männer, die in der Verbindung wie Arminia lernen müssen zu gehorchen, sich unterzuordnen, ihre Pflichten zu erfüllen und ihre Mannesehre beim Fechten und bei Trinkritualen zu erkämpfen. Verbinder wie in der Arminia, die ihre Verbrechen im Nationalsozialismus und der Kolonialzeit nicht aufarbeiten, sondern stillschweigend unterm Teppich kehren. Ein paar Beispiele von Burschenschaftern aus der Arminia Marburg sind Karl Haselbacher der bei der SS war, Fritz Rose, ein Kolonialbeamter oder Hans Werner Bracht, der vor Gericht Neonazis verteidigte und Distanz zu seinen Mandaten vermissen ließ. Auf der eigentlich so gepflegten Website wird dieser Teil der Geschichte komplett ausgelassen.
Über sich selbst sagt die Arminia, das sie weltoffen und modern ist und sich im Sinne eines Europas ausrichtet, indem alle Menschen Brüder sind. Interessant ist natürlich, dass sich alle Menschen nur auf die Brüder, also Männer bezieht – Frauen werden wie immer ausgeschlossen. Zudem besteht sich die angebliche Weltoffenheit aus einem eurozentrischen Verständnis der Welt. Zusammenfassend können wir über ihr Weltbild sagen: Mensch ist gleich Mann und Welt ist gleich Europa.
Außerdem betont die Arminia ihre Liebe zum deutschen Vaterland und offenbart ihre völkischen Grundgedanken. Wir wollen zum Thema Patriotismus eine Analyse von Lisa21 zitieren, die wegen der so starr auf Traditionen bedachten Burschen noch immer aktuell ist.
„Dabei wird Nation als etwas naturgewachsenes betrachtet und dient einer Ordnungsvorstellung, die zum einen kollektive Einheit und Zugehörigkeitsgefühl und zum anderen Abgrenzung nach außen schafft. Vor lauter Nationalstolz bleibt unthematisiert, dass Nation eine historische Konstruktion ist, die vor allem dazu dient, Macht und Herrschaft aufrecht zu erhalten. Vielmehr wird durch den Bezug auf Traditionen, Feste, Symbole, Rituale und Mythen suggeriert, die nationale Identität habe es schon immer gegeben und sie bestimme unser aller Schicksal. Die Verbindung von Nation und einer starken Mutterfigur, deren Aufgaben die Reproduktion der Gesellschaft und die Weitergabe des Bewusstseins einer angeblich überhistorischen nationalen Gemeinschaft sind, macht deutlich inwiefern Nation auf binäre Geschlechterdifferenz aufbaut. Diese geht mit einer permanenten Abwertung des Weiblichen einher, wie sich in den Gegensätzen des männlichen, individuellen, sterblichen Körpers und dem gegenüber eines weiblichen, unsterblichen Kollektivkörpers mit zugeschriebenen Aufgaben und Funktionen zeigt. Eine dieser zugeschriebenen Funktionen ist es, die Söhne zu Kriegern, d.h. zu wehrhaften Nationalen, zu erziehen… Wenn sich also Burschen auf die gemeinsame Geschichte, die „naturgewachsene“ deutsche Nation und vor allem ihre gemeinsamen Traditionen berufen, dann ist das leider nicht so harmlos wie es vielleicht in Anbetracht ihrer albernen Rituale und Kostüme aussehen mag.“
Zum Ende noch eine Antwort an die Arminia auf ihren Beitrag zum Aufruf des Bündnis gegen Rechts: Ihr bittet um eine Richtigstellung in Bezug auf den Austritt aus dem Waffenring und der Ex-Mitgliedschaft von Büssing. Ansonsten würden wir ja gewissenhaft recherchieren. Es sagt viel über euch aus, dass ihr bezüglich der anderen Punkte aus dem Aufruf, nämlich gegen euren Rassismus, Sexismus, Klassismus und Antisemitismus nichts einzuwenden habt, sondern es abnickt. Und eure Einladung auf ein Bier vorbeizukommen, um Vorurteile abzubauen ist einfach nur lächerlich.
Wir bleiben dabei: Ob liberal, national oder religiös – Männerbünde zerkratzen!
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1: LISA:2: Eine mittlerweile inaktive Fantifa Gruppe aus Marburg.