Hurra, die Uni geht kaputt?

Marburg trendet in der Presse, leider nicht, weil es eine Hausbesetzung gegeben hat, sondern weil der Hörsaal der Jura Fakultät in der Universitätsstraße eingestürzt ist. Nun wird von einem Unfall gesprochen und davon, dass es “Glück sei, dass dabei niemand verletzt wurde”. An einem anderen Tag, zu einer anderen Uhrzeit, wären Menschen dabei umgekommen. Von einem “Unfall” zu sprechen ist perfide und zeigt, dass die Universität Marburg sich offensichtlich aus der Verantwortung ziehen möchte. Doch Decken stürzen nicht einfach so ein. Decken stürzen ein, wenn die Verantwortlichen sich nicht um Innstandhaltung kümmern und somit den Schutz von Menschen, in diesem Fall Studierenden, Dozent:innen und Mitarbeitenden der Universität, vernachlässigen.

Diese Vernachlässigung zeigt sich aber nicht nur hier, sondern in weiten Teilen der Universität Marburgs. Viele Gebäude sind sanierungsbedürftig. Allein der Zustand der Philosophischen Fakultät, die wegen Asbest und anderer Faktoren teils geschlossen wurde, zeigt das. Gleichzeitig verfügt die Universität Marburg über Gebäude, die seit Jahrzehnten leer stehen. Seit den 1980er Jahren versuchten diverse Hausbesetzungen diesen Umstand praktisch zu ändern, nur um dann in Verhandlungen mit der Universität falsche Versprechen zu hören und dann morgens von der Polizei wachgeklingelt zu werden.

“Marburg ist keine Stadt, Marburg ist eine Universität”


Ein Spruch, den Zugezogene oft zu hören bekommen. Und ganz falsch ist diese Aussage nicht. Ohne die Universität in der Stadt wäre Marburg nur ein weiteres unbedeutendes Kaff in Hessen. Und die Philipps Universität ist ein ausschlaggebender Player im Stadtgeschehen und verfügt als solcher nicht nur über Handlungsmacht, sondern auch über Kapital und Infrastruktur. Dabei ist es so, dass die Universität Marburg, und somit auch die Stadt, sich mit einem “linken” Image brüstet und damit um weitere Studierende wirbt. Die Zeit der “Marburger Schule” und der roten Kaderschmiede sind aber leider schon lange vorbei. Die Neoliberalisierung hat voll und umfänglich den Geist der Universität durchdrungen. Spätestens mit der Bologna Reform 2010 hat sich einiges grundlegend verändert. Seitdem bedeutet Studieren, mehr als je zuvor, so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt integriert zu werden, denn Zeit ist bekanntlichermaßen Geld.


Nach kapitalistischer Manier werden Fachbereiche stärker gefördert, die in der Marktwirtschaft verwertbarer sind. Andere, wie die Geisteswissenschaften, werden seitdem fortwährend kaputtgespart. Die Seminare sind überfüllt, Lehrende überfordert und zu schlecht bezahlt, Stellen werden gestrichen, und offensichtlich werden Gebäude nicht saniert. Studieren wird immer mehr zu einem Luxusgut, was sich nur bestimmte Bevölkerungsschichten leisten können. Denn neben den höheren Semesterbeiträgen ist besonders die Situation auf dem marburger Wohnungsmarkt katastrophal. Im Zuge der gesellschaftlichen Krisen ist für uns keine Verbesserung in Sicht, sondern nur die andauernde Verschlechterung.
Sparen ist das Credo der aktuellen Bundesregierung, worunter auch die Bildung fallen wird. Es bleibt festzuhalten: Die Universität Marburg ist nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems.

Wir wünschen uns die Zeit zurück, in der 2009 zu “Bildungsstreiks” aufgerufen wurden und tausende Studierende Universitäten besetzten und auf die Straßen gingen. In Marburg wurde der sogenannte “G-Gang” der Philosophischen Fakultät symbolisch für eine Woche besetzt. Die ehemalige Dresdner Bank am Rudolphsplatz wurde durch 250 Studierende für einige Stunden blockiert. Bei einer Demonstration mit 2500 Studierenden wurde die Stadtautobahn in Marburg kurzerhand besetzt. Im Nachgang gab es versuchte Verurteilungen zu Haftstrafen auf Bewährungen (wegen Nötigung und Freiheitsberaubung), die dann aber zu Geldstrafen umgewandelt wurden. Diese Kämpfe waren punktuell erfolgreich. Die allgemeinen Studiengebühren wurden in allen Bundesländern abgeschaffen.

Wichtiger ist jedoch: Viele Studierende wurden in diesen Kämpfen politisiert und es kam in manchen Fachbereichen zu einer Rückeroberung linker Kräfte an der Universität.


14 Jahre später lässt sich sagen: Die Zeit ist reif für eine neue, radikalere Studierendenbewegung.