Unser Redebeitrag zum 8. März 2024

Auf der Großdemo, am 8. März 2024 in Marburg, haben wir folgende Rede gehalten:

Seit dem letzten 8. März ist der liberale Feminismus noch ein Stück weiter in den Mainstream gerückt: Barbie wurde von der bürgerlichen Gesellschaft als feministische Utopie gefeiert und von Rechtskonservativen als Affront gesehen. Dass linksliberaler Feminismus von einer breiten Masse an Menschen als Konsens gesehen werden kann, ist zwar in Teilen begrüßenswert, birgt aber auch die Gefahr der Depolitisierung des feministischen Kampfes. Denn feministische Utopie im Kapitalismus funktioniert nicht: zum Beispiel klammert der Film viele zentrale feministische Themen, wie das der unbezahlten Sorgearbeit, konsequent aus, denn in girl boss manier kann hier fast alles erreicht werden. Auch wenn der Film ganz vorsichtig und mit rosa Samthandschuhen auf bestehende strukturelle Diskriminierung hinweisen soll, forciert er eine Identifikation mit einer heteronormativen Glanz und Glitzer Welt, die eigentlich als Werbefilm für eine Puppenfirma dient, während sie von linksliberalen sogar als Schlusspunkt der feministischen Emanzipation behandelt wird.

Womöglich ist die Kommerzialisierung des Feminismus ein notwendiges Abfallprodukt eines wachsenden gesellschaftlichen feministischen Bewusstseins. Aber keinesfalls darf sich nun darauf ausgeruht werden, gerade wenn die strukturellen Probleme von einer rosaroten Mattel-Wolke bedeckt werden. Es wird versucht zu suggerieren, dass möglichst divers gestaltete Ausbeutung das höchste erreichbare Ziel sei. Es liegt allerdings kein feministisches Potential in Ausbeutung und wenn popkultureller Feminismus das suggeriert, dann vergessen wir, dass es um die Abschaffung eines ausbeuterischen Systemes geht. Aufgabe von Feministinnen muss es daher gerade jetzt sein, ein politisches Bewusstsein auszubauen und den Fokus auf bestehende Strukturen und Bereiche mit Handlungsbedarf zu lenken.

Während also Barbie medial unfassbar viel Aufmerksamkeit erreichte, wollen wir lieber auf ein Thema lenken, bei dem wir einen feminstischen Aufschrei vermisst haben. Nach dem terroristischen Angriff der Hamas auf die israelische Zivilbevölkerung am 7. Oktober, fehlten Posts der breiten bürgerlichen Gesellschaft und auch linke und linksradikale Gruppen zeigten sich nur vereinzelt solidarisch. Die Benennung und Skandalisierung sexualisierter Gewalt gegen Frauen ist ein zentraler Teil des feministischen Kampfes, doch der antisemitische Normalzustand der internationalen und deutschen Linken, zweifelt an der Glaubwürdigkeit jüdischer und israelischer Frauen. Uns macht wütend, wie weitreichend diese Verschränkung von Sexismus und Antisemitismus funktioniert. Es ist eine unfassbare Absurdität, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, dass Betroffenen sexualisierter Gewalt geglaubt wird und dass im Gegenteil entsprechend der eigenen Agenda selektiv vorgegangen wird und Gewaltschilderungen als „Propaganda“ verschrien werden. Viele, die sonst ganz laut „believe all victims“ herausrufen, haben hier Ausnahmen gemacht.

Vergewaltigung ist eine Kriegswaffe, deren Anwendung auf Entmenschlichung und Unterwerfung der weiblichen Bevölkerung abzielt. Diese Angriffe können nicht als Nachklang der eigentliche Aggression gesehen werden, denn sie sind ein zentraler Teil der Aggression, der auf Traumatisierung der Betroffenen aufbaut, sich aber unmittelbar auf deren Umfeld, Familien und ganze Communities überträgt. Es betrifft ganz individuell, aber auch kollektiv.
Kriege werden zu einem großen Teil auf dem Rücken von Frauen und queeren Menschen ausgetragen. Gerade in dem Kontext soll das Leid der Frauen und Queers im Gazastreifen betont werden, die auch außerhalb des Krieges unter den repressiven, patriarchalen, fundamentalistisch-islamistischen Vorstellungen der Hamas leben und leiden müssen.

In kriegerischen Auseinandersetzungen weltweit sind es Frauen, die als Druckmittel, als Sklavinnen oder Geiseln, als Opfer massiver sexueller Gewalt und Unterdrückung immer wieder die grausamsten Seiten der Kriegsführung erleben müssen.

Wir wollen mehr als feministische Popkultur. Wir wollen radikale, feministische Politik.
Formuliert konkrete politische Forderungen, die sich gegen den patriarchalen Kapitalismus richten! Das Finale des Feminismus kann nicht sein, sich einer Idee von vermarktbarer rosaroter Glitzerpolitik hinzugeben, in der die Illusion einer freien Wahl das höchste erreichbare Ziel ist. Die Gegner einer selbstbestimmten, emanzipierten Gesellschaft lassen diese Milde nicht walten. Keine Angst vor Konfrontation! Keine Angst davor, laut zu sein, deutlich zu sein, mehr zu wollen und mehr zu fordern! Solidarisiert euch mit Frauen und Queers in eurem Umfeld und schaut dabei besonders auf die, die von verschiedenen Unterdrückungsmechanismen betroffen sind. Habt ein besonderes Auge auf diejenigen, die sich im Zuge des 7. Oktobers und seinen Auswirkungen mit noch intensiveren Formen des Antisemitismus und Rassismus konfrontiert sehen müssen.

Solidarisiert euch mit allen Betroffenen sexualisierter Gewalt! Alerta alerta antisexista!